Produktregel: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Die Nullergänzung ===
=== Die Nullergänzung ===


Die möglichen falschen Schülervorstellungen über die Regel bei der Differentiation von Produkten lassen sich bei der Herleitung positiv nutzen.<ref >[[Hans-Jochem Mertens|Mertens, H.-J.]]: Ein genetischer Zugang zur Produktregel. In: Praxis der Mathematik 23 (1981), H.5, S. 151-152 </ref>. Geht man zunächst von der falschen Behauptung (f*g)'=f'*g' aus und betrachtet den Differenzenquotienten, so ergeben sich beim Aufspalten und Ausmultiplizieren des Produktes genau die Terme, die als überflüssig gelten und somit Bestandteil der Nullergänzung sind. Somit kann von einer falschen Aussage darauf geschlossen werden, wie der Term zu verändern ist, damit er das richtige Ergebnis liefert. Die Diskrepanzen zwischen Schülervorstellung und tatsächlichem Ergebnis können als Möglichkeit der Herleitung der Nullergänzung dienen.
Die möglichen falschen Schülervorstellungen über die Regel bei der Differentiation von Produkten lassen sich bei der Herleitung positiv nutzen.<ref >[[Hans-Jochem Mertens|Mertens, H.-J.]]: Ein genetischer Zugang zur Produktregel. In: Praxis der Mathematik 23 (1981), H.5, S. 151-152 </ref>. Geht man zunächst von der falschen Behauptung <math> (fg)'=f'g' </math> aus und betrachtet den Differenzenquotienten, so ergeben sich beim Aufspalten und Ausmultiplizieren des Produktes genau die Terme, die als überflüssig gelten und somit Bestandteil der Nullergänzung sind. Somit kann von einer falschen Aussage darauf geschlossen werden, wie der Term zu verändern ist, damit er das richtige Ergebnis liefert. Die Diskrepanzen zwischen Schülervorstellung und tatsächlichem Ergebnis können als Möglichkeit der Herleitung der Nullergänzung dienen.


Das Problem der Nullergänzung umgeht man indessen, wenn man von der entsprechenden Regel ausgehend auf den Differenzenquotienten zurückschließt.<ref name="Rüthing" /> Hier wandelt sich die Nullergänzung zu einer gewöhnlichen Nullauflösung, die für die Schüler nicht schwer zu durchschauen ist. Die Notierungs- und Denkrichtung liegen hier im Einklang, so dass dieser Beweis didaktisch vorteilhafter ist, als die in Beweismöglichkeit 1 skizzierte Vorgehensweise. Zu beachten ist hier jedoch, dass ebenso die Stetigkeit der Funktionen bei den Grenzübergängen berücksichtigt werden muss. Das grundlegende Problem der Regelfindung wird durch diesen Beweis nicht gelöst.  
Das Problem der Nullergänzung umgeht man indessen, wenn man von der entsprechenden Regel ausgehend auf den Differenzenquotienten zurückschließt.<ref name="Rüthing" /> Hier wandelt sich die Nullergänzung zu einer gewöhnlichen Nullauflösung, die für die Schüler nicht schwer zu durchschauen ist. Die Notierungs- und Denkrichtung liegen hier im Einklang, so dass dieser Beweis didaktisch vorteilhafter ist, als die in Beweismöglichkeit 1 skizzierte Vorgehensweise. Zu beachten ist hier jedoch, dass ebenso die Stetigkeit der Funktionen bei den Grenzübergängen berücksichtigt werden muss. Das grundlegende Problem der Regelfindung wird durch diesen Beweis nicht gelöst.  
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=== Beweis mit Hilfe des Spezialfalls f=g ===
=== Beweis mit Hilfe des Spezialfalls f=g ===


Eine weitere von Rüthing vorgestellte Beweisidee sieht zunächst den Zwischenschritt des Beweises des Spezialfalles der Produktregel für f=g vor.<ref name="Rüthing" /> Hat man vorher die zweite Potenzfunktion eingeführt, kann hier in einer Analogie die Regel formuliert werden:
Eine weitere von Rüthing vorgestellte Beweisidee sieht zunächst den Zwischenschritt des Beweises des Spezialfalles der Produktregel für <math> f=g </math> vor.<ref name="Rüthing" /> Hat man vorher die zweite Potenzfunktion eingeführt, kann hier in einer Analogie die Regel formuliert werden:
<math> (ff)'=2f'f </math>  
<math> (ff)'=2f'f </math>  
Der Beweis des Spezialfalls kann dann folgendermaßen erfolgen:<br />
Der Beweis des Spezialfalls kann dann folgendermaßen erfolgen:
<math>
2f'(x_{0})f(x_{0})=2 \lim {\frac {f(x)-f(x_{0})}{x-x_{0})f(x_{0})} = lim (f(x)-f(x<sub>0</sub>))/(x-x<sub>0</sub>) * (f(x<sub>0</sub>)+f(x<sub>0</sub>))= lim (f(x)-f(x<sub>0</sub>))/(x-x<sub>0</sub>) *  (f(x)+f(x<sub>0</sub>)) = lim ((f*f)(x)-(f*f)(x<sub>0</sub>))/(x-x<sub>0</sub>)


Durch die Einführung über den Spezialfall wird die Problematik der Ausnutzung der Stetigkeit auf eine einzelne Stelle isoliert und ist somit einfacher verständlich. Der allgemeine Fall der Produktregel wird schließlich über eine weitere, den Schülern bereits vorher bekannte Gleichung, möglich: (a*b)=1/4((a+b)<sup>2</sup>-(a-b)<sup>2</sup>).
<math>
Wendet man diese auf das Produkt der Funktionen an und verwendet die bekannten Summen- und Potenzregel, so ergibt sich schließlich:<br />
\begin{eqnarray}
(f*g)'(x<sub>0</sub>)=[1/4((f+g)<sup>2</sup>-(f-g)<sup>2</sup>)]'(x<sub>0</sub>)=1/4(2(f'+g')(f+g)-2(f'-g')(f-g))(x<sub>0</sub>)= f'(x<sub>0</sub>g(x<sub>0</sub>)+f(x<sub>0</sub>)g'(x<sub>0</sub>).
2f'(x_{0})f(x_{0})&=&2 \lim\limits_{x \rightarrow x_{0}}{\frac{f(x)-f(x_{0})}{x-x_{0}}f(x_{0})}\\
&=&\lim\limits_{x \rightarrow x_{0}}{\frac{f(x)-f(x_{0})}{x-x_{0}}(f(x_{0})+f(x_{0}))}\\
&=&\lim\limits_{x \rightarrow x_{0}}{\frac{f(x)-f(x_{0})}{x-x_{0}}\lim\limits_{x \rightarrow x_{0}}(f(x)+f(x_{0}))}\\
&=&\lim\limits_{x \rightarrow x_{0}}{\frac{(ff)(x)-(ff)(x_{0})}{x-x_{0}}}\\
&=&(ff)'
\end{eqnarray}
</math>


Auf diese Weise gelingt es auch das Problem der Regelfindung zu lösen und dabei gänzlich die Schwierigkeiten der Nullergänzung zu umgehen. Man erkennt also, dass durch das Ausnutzen von Zwischen- und Hilfsschritten der Beweis der Produktregel der Differentialrechnung sehr elementar möglich ist.  
Durch die Einführung über den Spezialfall wird die Problematik der Ausnutzung der Stetigkeit auf eine einzelne Stelle isoliert und ist somit einfacher verständlich. Der allgemeine Fall der Produktregel wird schließlich über eine weitere, den Schülern bereits vorher bekannte Gleichung <math> ab=\frac{1}{4}((a+b)^{2}-(a-b)^{2}) </math>, möglich.
Wendet man diese auf das Produkt der Funktionen an und verwendet die bekannten Summen- und Potenzregel, so ergibt sich schließlich:
<math> (fg)'(x_{0})=[\frac{1}{4}((f+g)^{2}-(f-g)^{2})]'(x_{0})=\frac{1}{4}(2(f'+g')(f+g)-2(f'-g')(f-g))(x_{0})=f'(x_{0})g(x_{0})+f(x_{0})g'(x_{0}). </math>
 
Auf diese Weise gelingt es auch das Problem der Regelfindung zu lösen und dabei gänzlich die Schwierigkeiten der Nullergänzung zu umgehen. Man erkennt also, dass durch das Ausnutzen von Zwischen- und Hilfsschritten der Beweis der Produktregel der Differentialrechnung sehr elementar möglich ist.


=== Herleitung mit Hilfe der Sekantenanstiegsfunktion <ref >[[Heinz Griesel|Griesel, H.]]: Zur Herleitung der Produktregel und der Quotientenregel in der Differentialrechnung. In: Praxis der Mathematik 23 (1981), H.9, S. 276-277 </ref>  ===
=== Herleitung mit Hilfe der Sekantenanstiegsfunktion <ref >[[Heinz Griesel|Griesel, H.]]: Zur Herleitung der Produktregel und der Quotientenregel in der Differentialrechnung. In: Praxis der Mathematik 23 (1981), H.9, S. 276-277 </ref>  ===


Die Idee dieses Beweises baut darauf auf, dass die Ableitung als Grenzwert der Sekantenanstiegsfunktion bzw. Differenzenquotientenfunktion aufgefasst wird. Das Ausnutzen der Sekante bietet sich hierbei an, da es ein hohes Maß an bildlicher Vorstellung ermöglicht. Als Voraussetzung ist es ebenso nötig eine Bezeichnung für die Sekantenanstiegsfunktion einzuführen, wie z.B.:
Die Idee dieses Beweises baut darauf auf, dass die Ableitung als Grenzwert der Sekantenanstiegsfunktion bzw. Differenzenquotientenfunktion aufgefasst wird. Das Ausnutzen der Sekante bietet sich hierbei an, da es ein hohes Maß an bildlicher Vorstellung ermöglicht. Als Voraussetzung ist es ebenso nötig eine Bezeichnung für die Sekantenanstiegsfunktion einzuführen, wie z.B. <math> sk_{f}=\frac{f(x)-f(a)}{x-a} </math>.  
sk<sub>f</sub>=(f(x)-f(a))/(x-a).  
Hiermit kann man durch Umstellen einen Ausdruck für die Funktion <math> f(x) </math> in Abhängigkeit von <math> sk_{f} </math> ermitteln. Setzt man nun in den Ansatz der Produktregel für die beiden Funktionen <math> f(x) </math> und <math> g(x) </math> diese Ausdrücke ein, so ergibt sich die Produktregel auf natürliche Weise, nachdem der Grenzübergang vollzogen wurde. Auf diese Weise umgeht man erneut das Problem der Nullergänzung und auch die Stetigkeit muss hier keine Erwähnung finden. Der Beweis der [[Quotientenregel]] kann auf analoge Weise durchgeführt werden.
Hiermit kann man durch Umstellen einen Ausdruck für die Funktion f(x) in Abhängigkeit von sk<sub>f</sub> ermitteln. Setzt man nun in den Ansatz der Produktregel für die beiden Funktionen f(x) und g(x) diese Ausdrücke ein, so ergibt sich die Produktregel auf natürliche Weise, nachdem der Grenzübergang vollzogen wurde. Auf diese Weise umgeht man erneut das Problem der Nullergänzung und auch die Stetigkeit muss hier keine Erwähnung finden. Der Beweis der [Quotientenregel] kann auf analoge Weise durchgeführt werden.


== Literatur ==
== Literatur ==
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[[Kategorie:Analysis]]
[[Kategorie:Analysis]]
[[Kategorie:Beweise im Mathematikunterricht]]
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