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== Beweise für (0,9 Periode 9) = 1 ==
== Beweise für (0,9 Periode 9) = 1 ==


'''Rechnerische Verfahrenen''' <ref name="bauer"> Bauer, Ludwig: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 </ref>
'''Rechnerische Verfahrenen''' <ref name="bauer"> Bauer, Ludwig: Mathematikunterricht, Intuition, Formalisierung: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu 0,9 Periode 9. In: Journal für Mathematikunterricht, Heft 1, 2011, 79-102 </ref>


Eine erste Variante der Behandlung der Zahl (0,9 Periode 9) ist die Verwendung rechnerischer Verfahren, so kann zum Beispiel mit Hilfe der [[Bruchrechnung]] gezeigt werden, dass aus dem mathematische Zusammenhang 1/9 = 0,11111... = (0,1 Periode 1) folgt:
Eine erste Variante der Behandlung der Zahl (0,9 Periode 9) ist die Verwendung rechnerischer Verfahren, so kann zum Beispiel mit Hilfe der [[Bruchrechnung]] gezeigt werden, dass aus dem mathematische Zusammenhang 1/9 = 0,11111... = (0,1 Periode 1) folgt:
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Der Zusammenhang kann auch anschaulich bewiesen werden. Man konstruiere einen [[Zahlenstrahl]], der den Zahlenbereich von 0 bis 1 abbildet. Man kann dort leicht die Zahl 0,9 eintragen. Daraufhin vergrößern wir den Bereich zwischen 0,9 und 1. Nun lässt sich die Zahl 0,99 eintragen. Vergrößert man nun den Bereich zwischen 0,99 bis 1 so lässt sich wiederum die Zahl 0,999 eintragen. Man sieht, dass die Glieder der Folge 0,9; 0,99; 0,999; ... also immer näher an die 1 heranrücken. Verbindet man dies mit der Überlegung, wo (0,9 Periode 9) = 0,99999... liegen könnte , erhalten wir "anschaulich" (0,9 Periode 9) = 1.
Der Zusammenhang kann auch anschaulich bewiesen werden. Man konstruiere einen [[Zahlenstrahl]], der den Zahlenbereich von 0 bis 1 abbildet. Man kann dort leicht die Zahl 0,9 eintragen. Daraufhin vergrößern wir den Bereich zwischen 0,9 und 1. Nun lässt sich die Zahl 0,99 eintragen. Vergrößert man nun den Bereich zwischen 0,99 bis 1 so lässt sich wiederum die Zahl 0,999 eintragen. Man sieht, dass die Glieder der Folge 0,9; 0,99; 0,999; ... also immer näher an die 1 heranrücken. Verbindet man dies mit der Überlegung, wo (0,9 Periode 9) = 0,99999... liegen könnte , erhalten wir "anschaulich" (0,9 Periode 9) = 1.


'''Widerspruchsbeweis''' <ref> Bauer, Ludwig: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 </ref>
'''Widerspruchsbeweis''' <ref name="bauer" />


Man nehme an, dass (0,9 Periode 9) < 1 ist. Dann gibt es ein ε, das den Abstand von (0,9 Periode 9) zu 1 beschreibt.  
Man nehme an, dass (0,9 Periode 9) < 1 ist. Dann gibt es ein ε, das den Abstand von (0,9 Periode 9) zu 1 beschreibt.  
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== Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9) ==
== Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9) ==


In der Studie "Mathematik, Intuition, Formalisierung: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)"<ref> [[Ludwig Bauer|Bauer, Ludwig]]: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 </ref> untersuchte [[Ludwig Bauer]] die Erwartungen von Schülerinnen und Schülern (SuS) gegenüber der natürlichen Zahl (0,9 Periode 9). Dabei ergab sich insgesamt, dass 70 % der SuS die Meinung (0,9 Periode 9) < 1 vertreten, lediglich 30 % entschieden sich für (0,9 Periode 9) = 1. Hieraus kann schließt er, dass der Mathematikunterricht in den untersuchten Klassen nicht verhindern konnte, dass die SuS mit großer Mehrheit für (0,9 Periode 9) < 1 stimmten <ref> Bauer, Ludwig: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 </ref>. Außerdem ist interessant, dass (0,9 Periode 9) < 1 in der befragten Klassenstufe 12 mit 91 % die stärkste Zustimmung fand. Anscheinend führte sogar die bereits gelehrte [[Infinitesimalrechnung]], welche die intensive Beschäftigung mit Grenzwerten einschließt zu einer Verstärkung der Ablehnung.  
In der Studie "Mathematik, Intuition, Formalisierung: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)"<ref name="bauer" /> untersuchte [[Ludwig Bauer]] die Erwartungen von Schülerinnen und Schülern (SuS) gegenüber der natürlichen Zahl (0,9 Periode 9). Dabei ergab sich insgesamt, dass 70 % der SuS die Meinung (0,9 Periode 9) < 1 vertreten, lediglich 30 % entschieden sich für (0,9 Periode 9) = 1. Hieraus kann schließt er, dass der Mathematikunterricht in den untersuchten Klassen nicht verhindern konnte, dass die SuS mit großer Mehrheit für (0,9 Periode 9) < 1 stimmten <ref name="bauer" />. Außerdem ist interessant, dass (0,9 Periode 9) < 1 in der befragten Klassenstufe 12 mit 91 % die stärkste Zustimmung fand. Anscheinend führte sogar die bereits gelehrte [[Infinitesimalrechnung]], welche die intensive Beschäftigung mit Grenzwerten einschließt zu einer Verstärkung der Ablehnung.  


'''Schülerargumente für (0,9 Periode 9) < 1''' <ref> Bauer, Ludwig: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 S.89 f.</ref>
'''Schülerargumente für (0,9 Periode 9) < 1''' <ref name="bauer" />


" Es fehlt immer noch ein Stückchen"
" Es fehlt immer noch ein Stückchen"
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<br />Hier kristallisieren sich verschiedene Argumentationsstrategien heraus: Viele SuS nehmen (0,9 Periode 9) und 1 als deutlich unterscheidbare Objekte wahr, anderen sehen (0,9 Periode 9) als Folge, deren Glieder sich der 1 annähern, sie aber nie erreichen. Auch wird der Bezug zu Rundungvorgängen hergestellt.
<br />Hier kristallisieren sich verschiedene Argumentationsstrategien heraus: Viele SuS nehmen (0,9 Periode 9) und 1 als deutlich unterscheidbare Objekte wahr, anderen sehen (0,9 Periode 9) als Folge, deren Glieder sich der 1 annähern, sie aber nie erreichen. Auch wird der Bezug zu Rundungvorgängen hergestellt.


'''Schülerargumente gegen (0,9 Periode 9) < 1'''<ref> Bauer, Ludwig: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 S. 91f.</ref>
'''Schülerargumente gegen (0,9 Periode 9) < 1'''<ref name="bauer" />


"Das haben wir gelernt"
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Mit Blick auf die oben skizzierten Schülervorstellungen lässt sich feststellen, dass Brüche zwischen innermathematischer Klärung und ursprünglichem Verstehen unvermeidlich für einen sinnstiftenden Umgang mit Mathematik sind.<ref> Danckwerts, Rainer; Vogel, Danckwart: "Analysis verständlich unterrichten" Spektrum Akademischer Verlag, 1. Auflage, Berlin Heidelberg 2006</ref>
Mit Blick auf die oben skizzierten Schülervorstellungen lässt sich feststellen, dass Brüche zwischen innermathematischer Klärung und ursprünglichem Verstehen unvermeidlich für einen sinnstiftenden Umgang mit Mathematik sind.<ref> Danckwerts, Rainer; Vogel, Danckwart: "Analysis verständlich unterrichten" Spektrum Akademischer Verlag, 1. Auflage, Berlin Heidelberg 2006</ref>
Die Grundlage für die systematische Behandlung der (0,9 Periode 9) bilden die genetischen Spiralcurricula der Bundesländer.
Die Grundlage für die systematische Behandlung der (0,9 Periode 9) bilden die genetischen Spiralcurricula der Bundesländer.
Beginnend mit der Bruchrechnung in Klasse 6 kann mittels der Darstellung (0,9 Periode 9) = 9* (1/9) = 1 der erste Beweis geführt werden. Dieses Ergebnis erscheint allerdings eher oberflächlich und und wenig nachhaltig. Deshalb ist das erneute Aufgreifen der Zahl in höheren Klassenstufe unabdingbar. <ref> Bauer, Ludwig: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 </ref>Eine erste Wiederholung des Zusammenhanges wäre nach der Einführung von Gleichungssytemen möglich, um die Herleitung durch Verwendung von Gleichungen zu realisieren. Zur abschließenden Wiederholung wäre dann noch einmal der Beweis mit Hilfe von Reihen innerhalb der Sekundarstufe II möglich.  
Beginnend mit der Bruchrechnung in Klasse 6 kann mittels der Darstellung (0,9 Periode 9) = 9* (1/9) = 1 der erste Beweis geführt werden. Dieses Ergebnis erscheint allerdings eher oberflächlich und und wenig nachhaltig. Deshalb ist das erneute Aufgreifen der Zahl in höheren Klassenstufe unabdingbar. <ref name="bauer" />Eine erste Wiederholung des Zusammenhanges wäre nach der Einführung von Gleichungssytemen möglich, um die Herleitung durch Verwendung von Gleichungen zu realisieren. Zur abschließenden Wiederholung wäre dann noch einmal der Beweis mit Hilfe von Reihen innerhalb der Sekundarstufe II möglich.  
Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie von Ludwig Bauer muss auf die Behandlung der Zahl (0,9 Periode 9) in der Oberstufe geachtet werden, die Behandlung des Grenzwertbegriffes und die Einführung der Infinitesimalrechnung sollte die Wiederholung unterstützen. Weiterhin weißt Bauer darauf hin, dass "... im Sinne eines genetisch-konstruktivistischen Lernverständnisses [...] auch dieser indirekte Beweis alleine nicht ausreichend [''ist'']. Eine einzelne unterrichtliche Aktion, sei es ein Rechenverfahren oder ein Beweis, hat wohl eher nur die Wirkung einer „Überredung“ der Schülerinnen und Schüler. Eine echte „Überzeugung“, dass (0,9 Periode 9) = 1 und dass (0,9 Periode 9) der Grenzwert der Folge 0,9, 0,99 usw. ist, entwickeln die Schülerinnen und Schüler wohl nur dann, wenn sie alle bisher gesammelten Erfahrungen aufeinander beziehen und reflektieren." <ref> Bauer, Ludwig: "Mathematik, Intuition, Formalismen: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu (0,9 Periode 9)", Springer Verlag, Onlinepublikation vom 05.01.2011 S.97 </ref>
Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie von Ludwig Bauer muss auf die Behandlung der Zahl (0,9 Periode 9) in der Oberstufe geachtet werden, die Behandlung des Grenzwertbegriffes und die Einführung der Infinitesimalrechnung sollte die Wiederholung unterstützen. Weiterhin weißt Bauer darauf hin, dass "... im Sinne eines genetisch-konstruktivistischen Lernverständnisses [...] auch dieser indirekte Beweis alleine nicht ausreichend [''ist'']. Eine einzelne unterrichtliche Aktion, sei es ein Rechenverfahren oder ein Beweis, hat wohl eher nur die Wirkung einer „Überredung“ der Schülerinnen und Schüler. Eine echte „Überzeugung“, dass (0,9 Periode 9) = 1 und dass (0,9 Periode 9) der Grenzwert der Folge 0,9, 0,99 usw. ist, entwickeln die Schülerinnen und Schüler wohl nur dann, wenn sie alle bisher gesammelten Erfahrungen aufeinander beziehen und reflektieren." <ref name="bauer" />


[[Kategorie:Analysis]]
[[Kategorie:Analysis]]


==Quellen==
==Zitatquellen und verwendete Literatur==
<references/>
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