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Vernetzen: Unterschied zwischen den Versionen

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==Vorbemerkung==
==Vorbemerkung==
Sowohl in der Presse als auch in der Wissenschaft wird bekanntlich gerne von „Vernetzen“ und „Vernetzung“ gesprochen und geschrieben – auch in der Didaktik der Mathematik. Insbesondere drängt sich bei der Lektüre der Fachliteratur und bei vielen Fachvorträgen der Eindruck auf, dass man, wenn dort von „Vernetzen“ die Rede ist, meist ohne jeden Qualitätsverlust stattdessen schlicht von „Verbinden“ sprechen kann. Nun steht aber „Verbinden“ durchaus in der Tradition von Freudenthal, Wittenberg und E. Chr. Wittmann, wenn diese nämlich einen ''beziehungshaltigen Unterricht'' fordern, oder wenn Vollrath z. B. von „Verbindung“ als einer ''„methodischen Variante“'' spricht.<ref>Vollrath, Hans-Joachim: Die Bedeutung methodischer Variablen für den Analysisunterricht. In: ''Der Mathematik­unterricht'' '''22'''(1976)5, 7–24.</ref><br /> Der Terminus „Vernetzen“ wäre dann in Umkehrung von Matthäus 9, 17 nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ – das klingt zwar gut, ist aber nach Fritz Erler „reziplikativ“:<ref>Fritz Erler, früherer Fraktionsvorsitzender der SPD im Deut­schen Bundestag, während einer Parlaments­sitzung im November 1965 in Anspielung auf schwam­mige Äußerungen des damaligen Bundeskanzlers Ludwig Erhard; vgl. Hamburger Abendblatt vom 30. 11. 1965.</ref><br />
Sowohl in der Presse als auch in der Wissenschaft wird gerne von „Vernetzen“ und „Vernetzung“ gesprochen und geschrieben – auch in der Didaktik der Mathematik. Allerdings drängt sich bei der Lektüre der Fachliteratur und bei vielen Fachvorträgen der Eindruck auf, dass man, wenn dort von „Vernetzen“ die Rede ist, meist ohne jeden Qualitätsverlust stattdessen schlicht von „Verbinden“ sprechen kann. Nun steht aber „Verbinden“ durchaus in der Tradition von [http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Freudenthal Freudenthal], Wittenberg und [[Erich_Christian_Wittmann|E. Chr. Wittmann]], wenn diese nämlich einen ''beziehungshaltigen Unterricht'' fordern, oder wenn [[Hans-Joachim_Vollrath|Vollrath]] z. B. von „Verbindung“ als einer ''„methodischen Variante“'' spricht. <ref>[Vollrath 1976]</ref><br /> Der Terminus „Vernetzen“ wäre dann in Umkehrung von Matthäus 9, 17 nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ – das klingt zwar gut, ist aber nach Fritz Erler „reziplikativ“: <ref>Fritz Erler, früherer Fraktionsvorsitzender der SPD im Deut­schen Bundestag, während einer Parlaments­sitzung im November 1965 in Anspielung auf schwam­mige Äußerungen des damaligen Bundeskanzlers Ludwig Erhard; vgl. Hamburger Abendblatt vom 30. 11. 1965. </ref><br />
: <small>''„Die undeutlichen Formen des Kanzlers sind sehr reziplikativ.“'' Ein aufmerksamer CDU-Abgeordneter rief dazwischen: ''„Was ist das?“'' Erler: ''„Sie fragen, was das heißt, das heißt gar nichts, das spricht sich nur so schön.“''</small><br />
:: ''„Die undeutlichen Formen des Kanzlers sind sehr reziplikativ.“'' Ein aufmerksamer CDU-Abgeordneter rief dazwischen: ''„Was ist das?“''<br />
:: Erler: ''„Sie fragen, was das heißt, das heißt gar nichts, das spricht sich nur so schön.“''<br />


Wissenschaftliche Fachtermini müssen (zumindest fachspezifisch) definiert und dürfen nicht nur im umgangssprachlichen recht offenen Sinn verwendet werden. Wenn aber mit „Vernetzen“ tatsächlich ein (neuer?) Bildungsanspruch einhergehen sollte, der mit dem „Verbinden“ noch ''nicht'' erfasst wird und der über die teilweise nur statisch interpretierbare „Beziehungshaltigkeit“ erkennbar ''hinausweist'', dann bedarf dies einer definitorischen Begriffsklärung, und andernfalls sollte man nur „Verbindung“ bzw. „Verbinden“ sagen und schreiben. Das wird im Folgenden andeutungsweise erläutert.<ref>Vgl. die ausführliche Untersuchung in: [Hischer 2010]: Hischer, Horst: Was sind und was sollen Medien, Netze und Vernetzungen? Vernetzung als Medium zur Weltaneignung. Hildesheim: Franzbecker, 2008</ref><br />
Wissenschaftliche Fachtermini müssen (zumindest fachspezifisch) definiert und dürfen nicht nur im umgangssprachlichen recht offenen Sinn verwendet werden. <ref>Vgl. hierzu u. a. den Blog „Vernetzen“ von [http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6tz_Eisenberg Götz Eisenberg] vom 4. 7. 2013 unter: http://www.nachdenkseiten.de/?p=17857#more-17857 (mit Dank an [https://www.tu-braunschweig.de/idm/mitarbeiter/wissmit/rehlich Dr. Hartmut Rehlich] für den Hinweis auf diesen Link). </ref> Wenn aber mit „Vernetzen“ tatsächlich ein (neuer?) [[Bildung|Bildung]]sanspruch der [[Didaktik]] einhergehen sollte, der mit dem „Verbinden“ noch ''nicht'' erfasst wird und der über die teilweise nur statisch interpretierbare „Beziehungshaltigkeit“ erkennbar ''hinausweist'', dann bedarf dies einer definitorischen Begriffsklärung, und andernfalls sollte man nur „Verbindung“ bzw. „Verbinden“ sagen und schreiben. Das wird im Folgenden (zunächst nur andeutungsweise) erläutert. <ref>Vgl. hierzu die ausführliche Analyse und darauf aufbauende konzeptionelle Entwicklung in [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buecher/2010-medien-netze/cover.htm [Hischer 2010]]. </ref><br />


==Übersicht==
==Übersicht==
Auf der Suche nach einer sinnvollen Definition von „Vernetzen“ im pädagogisch-didaktischen Kontext wird man beachten, dass dem „Vernetzen“ etymologisch das „Netz“ zugrunde liegt, dessen Bedeutung also zunächst zu klären ist. Es zeigt sich, dass zu einem „Netz“ im pädagogisch-didaktischen Kontext nicht nur dessen ''Bestandteile'' (Knoten und Kanten) gehören, sondern auch ''Benutzer'' (vor allem Schülerinnen und Schüler) und ''Betrachter'' (zunächst Lehrkräfte, aber auch Schülerinnen und Schüler), so dass sich ein solches „Netz“ als ein „System“ im systemtheoretischen Sinn erweist. Gleichwohl wird es im ersten Anlauf genügen, die mathematische Graphentheorie heranzuziehen, um zunächst die Struktur der „Bestandteile“ zu beschreiben, was zu besonderen als „Netzgraphen“ bezeichneten Graphen führt, bei denen jede Kante Teil einer ''Masche'' ist. Diese sehr strenge Forderung kann gelockert werden, indem man fordert, dass mindestens eine Kante Teil einer Masche ist, wodurch ein „Netzwerk“ gekennzeichnet ist, so dass also jedes Netzwerk ein Netzgraph ist, aber nicht umgekehrt. Damit kann man wichtige Erkenntnisse der sog. „Netzwerktheorie“<ref>Newman, Mark E. J.: Networks. An Introduction. Oxford: Oxford University Press. 772 Seiten.</ref> heranziehen, die sich seit etwa 1990 international beachtlich entwickelt hat, so z. B. in der Physik und in der Soziologie. Dazu gehören dann unterschiedliche „Vernetzungsgradmaße“ bzw. „Netzwerkstatistiken“ wie z. B. ''Clusterkoeffizient'' und ''Durchmesser'', die auch im pädagogisch-didaktischen Kontext heranziehbar bzw. gar heranzuziehen sind.<ref>Vgl. die Übersichtsdarstellung in [Hischer 2010], s. o.</ref><br />
Auf der Suche nach einer sinnvollen Definition von „Vernetzen“ im pädagogisch-didaktischen Kontext wird man beachten, dass dem „Vernetzen“ etymologisch das „Netz“ zugrunde liegt, dessen Bedeutung also zunächst zu klären ist. Es zeigt sich, dass zu einem „Netz“ im pädagogisch-didaktischen Kontext nicht nur dessen ''Bestandteile'' (Knoten und Kanten) gehören, sondern auch ''Benutzer'' (vor allem Schülerinnen und Schüler) und ''Betrachter'' (zunächst Lehrkräfte, aber auch Schülerinnen und Schüler), so dass sich ein solches „Netz“ als ein „System“ im systemtheoretischen Sinn erweist. Gleichwohl wird es im ersten Anlauf genügen, die mathematische Graphentheorie heranzuziehen, um zunächst die Struktur der „Bestandteile“ zu beschreiben, was zu besonderen als „Netzgraphen“ bezeichneten Graphen führt, bei denen jede Kante Teil einer ''Masche'' ist. Diese sehr strenge Forderung kann gelockert werden, indem man fordert, dass mindestens eine Kante Teil einer Masche ist, wodurch ein „Netzwerk“ gekennzeichnet ist, so dass also jedes Netzwerk ein Netzgraph ist, aber nicht umgekehrt. Damit kann man wichtige Erkenntnisse der sog. „Netzwerktheorie“ <ref>Hier ist insbesondere [http://www.santafe.edu/about/people/profile/Mark%20Newman Mark Newman] zu nennen, vgl. auch sein Buch [http://www.amazon.de/Networks-An-Introduction-Mark-Newman/dp/0199206651 [Newman 2010]]</ref> heranziehen, die sich seit etwa 1990 international beachtlich entwickelt hat, so z. B. insbesondere durch die Physik und die Soziologie. Dazu gehören dann unterschiedliche „Vernetzungsgradmaße“ bzw. „Netzwerkstatistiken“ (für Graphen) wie z. B. ''Clusterkoeffizient'', ''mittlerer Knotenabstand (charakteristische Weglänge)'', ''mittlerer Knotengrad''  und ''Durchmesser'', die auch im pädagogisch-didaktischen Kontext heranziehbar bzw. gar heranzuziehen sind. <ref>Vgl. [http://www.amazon.de/Networks-An-Introduction-Mark-Newman/dp/0199206651 [Newman 2010]] und die Übersichtsdarstellung in [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buecher/2010-medien-netze/cover.htm [Hischer 2010]], s. o.</ref><br /><br />
Die graphentheoretische Beschreibung lässt sich nicht nur auf die Bestandteile anwenden, sondern auch z. B. auf die strukturierten Benutzer, die sich dann ggf. als ein ''bipartiter Graph'' beschreiben lassen, eine Kennzeichnung, die auch auf die heute immer wichtiger werdenden ''sozialen Netzwerke'' (nicht zu verwechseln mit einem „sozialen Netz“) zutrifft.<br/>
Die graphentheoretische Beschreibung lässt sich nicht nur auf die erwähnten „Bestandteile“ anwenden, sondern auch z. B. auf die strukturierten „Benutzer“, die sich dann ggf. als ein ''bipartiter Graph'' beschreiben lassen, eine Kennzeichnung, die auch auf die heute immer wichtiger werdenden ''sozialen Netzwerke'' (nicht zu verwechseln mit einem „sozialen Netz“) zutrifft.<br/><br />
Ferner werden sich die aus der Netzwerktheorie bekannten Effekte „Kleiner Welten“ bzw. „Small Worlds“ in Verbindung mit den sog. „Naben“ als pädagogisch-didaktisch bedeutsam erweisen. Solange jedoch mit „Vernetzung“ unreflektiert nur „Verbindung“ gemeint ist, wird man das ungemein reichhaltige mit „Vernetzung“ intendierbare Potential für Erforschung und Entwicklung von Unterricht nicht erschließen (können).<br/>
Ferner werden sich die aus der Netzwerktheorie bekannten Effekte „Kleiner Welten“ („Small Worlds“) in Verbindung mit den sog. „Naben“ als pädagogisch-didaktisch bedeutsam erweisen. Solange jedoch mit „Vernetzung“ unreflektiert nur „Verbindung“ gemeint ist, wird man das ungemein reichhaltige mit „Vernetzung“ intendierbare pädagogisch-didaktische Potential für Erforschung und Entwicklung von Unterricht nicht erschließen (können).<br/>
Es sei ergänzt, dass dann auch erklärbar ist, was „Vernetzen“ bedeutet, dass man z. B. „vernetzendes Denken“ und „vernetztes Denken“ unterscheiden kann und dass sich Baumstrukturen als nicht vernetzt erweisen, sondern nur als ''zusammenhängend:'' Im Zustand ''idealer Vernetzung'' gibt es zwischen je zwei Knoten mindestens zwei verschiedene Verbindungen. Didaktisch ist das insofern bedeutsam, als dass sich damit ''Offenheit'' im Unterricht beschreiben lässt: Es gibt dann nicht nur einen Weg zum Ziel.
Es sei ergänzt, dass dann auch erklärbar ist, was „Vernetzen“ bedeutet, dass man z. B. „vernetzendes Denken“ und „vernetztes Denken“ unterscheiden kann und dass sich Baumstrukturen als nicht vernetzt erweisen, sondern nur als ''zusammenhängend:'' Im Zustand ''idealer Vernetzung'' gibt es zwischen je zwei Knoten mindestens zwei verschiedene Verbindungen. Didaktisch ist das insofern bedeutsam, als dass sich damit ''Offenheit'' im Unterricht beschreiben lässt: Es gibt dann nicht nur einen Weg zum Ziel.


==Vertiefung==
==Vertiefung==
''Wird fortgesetzt.''
''Diese vorläufige Darstellung wird später vertiefend ergänzt und fortgesetzt.''<br />
Bis dahin sei neben der [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buecher/2010-medien-netze/cover.htm ausführlichen Analyse] auf folgende ''Kurzinformationen'' verwiesen:<br />
* [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buch-beitraege/2009-BzMU/Hischer_BzMU2009_Vernetzung.pdf'' Was sind und was sollen Netze und Vernetzungen?''] In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2009. Münster: WTM-Verlag, 2009, S. 635 – 638.
* [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buch-beitraege/2010-BzMU/Hischer_BzMU2010_Vernetzung.pdf'' Vernetzungen im pädagogisch-didaktischen Kontext  —  vertiefende Aspekte.''] In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2010. Münster: WTM-Verlag, 2010, S. 401 – 404. 
* [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buch-beitraege/2011-BzMU/Hischer_BzMU2011_Vernetzung.pdf'' „Vernetzung“ als Bildungsanspruch?''] In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2011. Münster: WTM-Verlag, 2011, S. 391 – 394.
* [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buch-beitraege/2012-Medien_vernetzen/Hischer-AKMUI2008_Medien-Vernetzung.pdf ''Medien und Vernetzungen — eine didaktische Positionsbestimmung.''] In: Kortenkamp, Ulrich & Lambert, Anselm (Hrsg.): Medien Vernetzen. Zur Zukunft des Analysisunterrichts vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit Neuer Medien (und Werkzeuge). Hildesheim: Franzbecker, 2012, S. 17 – 20.
* [http://www.math.uni-sb.de/service/preprints/preprint342.pdf  ''Kleine Welten und Netzwerke und ihr mögliches Potential für Didaktik, Unterricht und Pädagogik.''] Universität des Saarlandes, Fachrichtung Mathematik, 2014, Preprint Nr. 342.
==Literatur==
==Literatur==
* Hischer, Horst [2010]: [http://www.horst.hischer.de/publikationen/buecher/2010-medien-netze/cover.htm ''Was sind und was sollen Medien, Netze und Vernetzungen? Vernetzung als Medium zur Weltaneignung''.] Hildesheim: Franzbecker, 242 Seiten.
* Hischer, Horst [2014]: [http://horst.hischer.de/publikationen/zeitschr-beitraege/2014-MGDM-KleineWelten/MGDM-Kleine_Welten_und_Netzwerke.pdf Kleine Welten und Netzwerke – Anregungen für die Didaktik.] In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik'', Nr.97, 2014, 14–21.
* Hischer, Horst [2014]: [http://www.math.uni-sb.de/service/preprints/preprint342.pdf Kleine Welten und Netzwerke und ihr mögliches Potential für Didaktik, Unterricht und Pädagogik.] Preprint 342 der Fachrichtung Mathematik der Universität des Saarlandes.
* [https://www.lsa.umich.edu/physics/directory/faculty/newmanmark_ci Newman, Mark E. J.] [2010]: [http://www.amazon.de/Networks-An-Introduction-Mark-Newman/dp/0199206651 ''Networks. An Introduction''.] Oxford: Oxford University Press, 772 Seiten.
* [http://www.didaktik.mathematik.uni-wuerzburg.de/mitarbeiter/vollrath/ Vollrath, Hans-Joachim] [1976]: [http://www.history.didaktik.mathematik.uni-wuerzburg.de/vollrath/papers/023.pdf Die Bedeutung methodischer Variablen für den Analysisunterricht]. In: ''Der Mathematik­unterricht'' '''22'''(1976)5, 7–24.
==Anmerkungen==
<references />
<references />
{{zitierhinweis}}
{{zitierhinweis|Horst Hischer}}

Aktuelle Version vom 14. September 2014, 13:15 Uhr

Vorbemerkung

Sowohl in der Presse als auch in der Wissenschaft wird gerne von „Vernetzen“ und „Vernetzung“ gesprochen und geschrieben – auch in der Didaktik der Mathematik. Allerdings drängt sich bei der Lektüre der Fachliteratur und bei vielen Fachvorträgen der Eindruck auf, dass man, wenn dort von „Vernetzen“ die Rede ist, meist ohne jeden Qualitätsverlust stattdessen schlicht von „Verbinden“ sprechen kann. Nun steht aber „Verbinden“ durchaus in der Tradition von Freudenthal, Wittenberg und E. Chr. Wittmann, wenn diese nämlich einen beziehungshaltigen Unterricht fordern, oder wenn Vollrath z. B. von „Verbindung“ als einer „methodischen Variante“ spricht. [1]
Der Terminus „Vernetzen“ wäre dann in Umkehrung von Matthäus 9, 17 nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ – das klingt zwar gut, ist aber nach Fritz Erler „reziplikativ“: [2]

„Die undeutlichen Formen des Kanzlers sind sehr reziplikativ.“ Ein aufmerksamer CDU-Abgeordneter rief dazwischen: „Was ist das?“
Erler: „Sie fragen, was das heißt, das heißt gar nichts, das spricht sich nur so schön.“

Wissenschaftliche Fachtermini müssen (zumindest fachspezifisch) definiert und dürfen nicht nur im umgangssprachlichen recht offenen Sinn verwendet werden. [3] Wenn aber mit „Vernetzen“ tatsächlich ein (neuer?) Bildungsanspruch der Didaktik einhergehen sollte, der mit dem „Verbinden“ noch nicht erfasst wird und der über die teilweise nur statisch interpretierbare „Beziehungshaltigkeit“ erkennbar hinausweist, dann bedarf dies einer definitorischen Begriffsklärung, und andernfalls sollte man nur „Verbindung“ bzw. „Verbinden“ sagen und schreiben. Das wird im Folgenden (zunächst nur andeutungsweise) erläutert. [4]

Übersicht

Auf der Suche nach einer sinnvollen Definition von „Vernetzen“ im pädagogisch-didaktischen Kontext wird man beachten, dass dem „Vernetzen“ etymologisch das „Netz“ zugrunde liegt, dessen Bedeutung also zunächst zu klären ist. Es zeigt sich, dass zu einem „Netz“ im pädagogisch-didaktischen Kontext nicht nur dessen Bestandteile (Knoten und Kanten) gehören, sondern auch Benutzer (vor allem Schülerinnen und Schüler) und Betrachter (zunächst Lehrkräfte, aber auch Schülerinnen und Schüler), so dass sich ein solches „Netz“ als ein „System“ im systemtheoretischen Sinn erweist. Gleichwohl wird es im ersten Anlauf genügen, die mathematische Graphentheorie heranzuziehen, um zunächst die Struktur der „Bestandteile“ zu beschreiben, was zu besonderen als „Netzgraphen“ bezeichneten Graphen führt, bei denen jede Kante Teil einer Masche ist. Diese sehr strenge Forderung kann gelockert werden, indem man fordert, dass mindestens eine Kante Teil einer Masche ist, wodurch ein „Netzwerk“ gekennzeichnet ist, so dass also jedes Netzwerk ein Netzgraph ist, aber nicht umgekehrt. Damit kann man wichtige Erkenntnisse der sog. „Netzwerktheorie“ [5] heranziehen, die sich seit etwa 1990 international beachtlich entwickelt hat, so z. B. insbesondere durch die Physik und die Soziologie. Dazu gehören dann unterschiedliche „Vernetzungsgradmaße“ bzw. „Netzwerkstatistiken“ (für Graphen) wie z. B. Clusterkoeffizient, mittlerer Knotenabstand (charakteristische Weglänge), mittlerer Knotengrad und Durchmesser, die auch im pädagogisch-didaktischen Kontext heranziehbar bzw. gar heranzuziehen sind. [6]

Die graphentheoretische Beschreibung lässt sich nicht nur auf die erwähnten „Bestandteile“ anwenden, sondern auch z. B. auf die strukturierten „Benutzer“, die sich dann ggf. als ein bipartiter Graph beschreiben lassen, eine Kennzeichnung, die auch auf die heute immer wichtiger werdenden sozialen Netzwerke (nicht zu verwechseln mit einem „sozialen Netz“) zutrifft.

Ferner werden sich die aus der Netzwerktheorie bekannten Effekte „Kleiner Welten“ („Small Worlds“) in Verbindung mit den sog. „Naben“ als pädagogisch-didaktisch bedeutsam erweisen. Solange jedoch mit „Vernetzung“ unreflektiert nur „Verbindung“ gemeint ist, wird man das ungemein reichhaltige mit „Vernetzung“ intendierbare pädagogisch-didaktische Potential für Erforschung und Entwicklung von Unterricht nicht erschließen (können).
Es sei ergänzt, dass dann auch erklärbar ist, was „Vernetzen“ bedeutet, dass man z. B. „vernetzendes Denken“ und „vernetztes Denken“ unterscheiden kann und dass sich Baumstrukturen als nicht vernetzt erweisen, sondern nur als zusammenhängend: Im Zustand idealer Vernetzung gibt es zwischen je zwei Knoten mindestens zwei verschiedene Verbindungen. Didaktisch ist das insofern bedeutsam, als dass sich damit Offenheit im Unterricht beschreiben lässt: Es gibt dann nicht nur einen Weg zum Ziel.

Vertiefung

Diese vorläufige Darstellung wird später vertiefend ergänzt und fortgesetzt.
Bis dahin sei neben der ausführlichen Analyse auf folgende Kurzinformationen verwiesen:

Literatur

Anmerkungen

  1. [Vollrath 1976]
  2. Fritz Erler, früherer Fraktionsvorsitzender der SPD im Deut­schen Bundestag, während einer Parlaments­sitzung im November 1965 in Anspielung auf schwam­mige Äußerungen des damaligen Bundeskanzlers Ludwig Erhard; vgl. Hamburger Abendblatt vom 30. 11. 1965.
  3. Vgl. hierzu u. a. den Blog „Vernetzen“ von Götz Eisenberg vom 4. 7. 2013 unter: http://www.nachdenkseiten.de/?p=17857#more-17857 (mit Dank an Dr. Hartmut Rehlich für den Hinweis auf diesen Link).
  4. Vgl. hierzu die ausführliche Analyse und darauf aufbauende konzeptionelle Entwicklung in [Hischer 2010].
  5. Hier ist insbesondere Mark Newman zu nennen, vgl. auch sein Buch [Newman 2010]
  6. Vgl. [Newman 2010] und die Übersichtsdarstellung in [Hischer 2010], s. o.


Der Beitrag kann wie folgt zitiert werden:
Horst Hischer (2014): Vernetzen. Version vom 14.09.2014. In: dev_madipedia. URL: http://dev.madipedia.de/index.php?title=Vernetzen&oldid=19485.