Variablenverständnis: Unterschied zwischen den Versionen

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Variablen können verschiedene Bedeutungen haben, mit denen demnach verschiedene Vorstellungen verbunden sind (vgl. Barzel, Herget 2006, S. 5). Ein tragfähiges Variablenverständnis zeigt sich darin, die verschiedenen Vorstellungen zu kennen und mit diesen in konkreten Sachsituationen flexibel umgehen zu können (vgl. Schill 2014, S. 1063).
Variablen können verschiedene Bedeutungen haben, mit denen demnach verschiedene Vorstellungen verbunden sind <ref name=Barzel> Barzel, Bärbel; Herget, Wilfried (2006): Zahlen, Symbole, Variablen - abstrakt und konkret. Plädoyer für einen lebendigen Umgang mit Termen. In: mathematik lehren (136), S. 4-9.</ref>. Ein tragfähiges Variablenverständnis zeigt sich darin, die verschiedenen Vorstellungen zu kennen und mit diesen in konkreten Sachsituationen flexibel umgehen zu können <ref name=Schill> Schill, Anne: Wege zu einem tragfähigen Variablenverständnis. In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2014, 48. Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik vom 10.03.2014 bis 14.03.2014 in Koblenz, S. 1063-1066.</ref>. Malle unterscheidet dabei verschiedene Aspekte, die das Variablenverständnis seiner Meinung nach ausmachen.


== Variablenaspekte nach Küchemann ==
== Variablenaspekte nach Malle ==
Küchemann identifiziert sechs verschiedene Interpretationsstufen von Buchstaben, die SuS verstehen müssen, um ein Verständnis für Variablen zu entwickeln. Dabei spricht er zum einen von den Kategorien ''letter evaluated'', ''letter not used'', ''letter used as an object'', ''letter used as a specific unknown, letter used as generalised number'' und ''letter used as a variable'' (vgl. Warren, S. 661).  
Günther Malle unterscheidet in Bezug auf die Verwendung von Variablen drei verschiedene Variablenaspekte: Den ''Gegenstandsaspekt'', den ''Einsetzungsaspekt'' und den ''Kalkülaspekt'' <ref name=Barzel/>. Für ein tragfähiges Variablenverständnis müssen die SuS die unterschiedlichen Perspektiven auf die Variablen einnehmen und zwischen diesen flexibel wechseln können <ref name=Specht> Specht, Birte; Plöger, Heidi (2011): Das Kreuz mit dem x-Beliebigen. In: Der Mathematikunterricht 57 (2-2011), S. 4-15).</ref>.
* '''Gegenstandsaspekt:''' Die Variable wird „''als unbekannte oder nicht näher bestimmte Zahl“'' <ref name=Malle> Malle, Günther (1986): Variable. Basisartikel mit Überlegungen zur elementaren Algebra. In: mathematik lehren 15, 1986, S. 2-8.</ref>. bzw. als unbestimmter Denkgegenstand gesehen, mit dem einfach umgegangen wird <ref name=Barzel/>.  


Items der Katgeorie letter evaluated erlauben das direkte Bestimmen des numerischen Wertes einer Variablen bzw. eines Buchstaben oder sind dadurch gekennzeichnet, dass die SuS der Variablen von Beginn an einen bestimmten numerischen Wert zuordnen (vgl. Küchemann 1984, S. 105). Das Bestimmen des numerischen Wertes kann durch simples Ausprobieren oder einer einfachen Umformung erfolgen (vgl. Küchemann 1978, S. 25).
* '''Einsetzungsaspekt:''' Die Variable wird als Platzhalter bzw. Leerstelle gesehen, in der Zahlen eingesetzt werden sollen <ref name=Malle/>.
* '''Kalkülaspekt:''' Die Variable wird als ''„bedeutungsloses Zeichen, mit dem nach bestimmten Regeln operiert werden darf“'' <ref name=Malle/>, gesehen.
== Beispiele ==
 
Eine Gleichung, wie 2 (x + 1) = 8, kann je nach Variablenaspekt unterschiedlich betrachtet und damit gelöst werden:
* '''Gegenstandsaspekt:''' Für die gesuchte Zahl, die ich x nenne, muss die 2 (x + 1) = 8 gelten. Da das Doppelte von (x + 1) gleich 8 ist, muss (x + 1) gleich 4 sein. Meine gesuchte Zahl ergibt 4, wenn ich sie mit 1 vermehre, also ist meine gesuchte Zahl 3.
* '''Einsetzungsaspekt:''' Die gesuchte Zahl x muss der Aussage 2 (x + 1) = 8 entsprechen. Welche Zahl kann man einsetzen, damit die Aussage stimmt? Die Aussage it äquivalent zu der Aussage x + 1 = 4. Wenn ich die 3 einsetze, stimmt die Aussage. Die gesuchte Zahl ist also 3.
* '''Kalkülaspekt:''' Ich forme die Gleichung 2 (x + 1) = 8 nach bekannten Regeln um. Als erstes benutze ich die Regel "Man darf beide Seiten einer Gleichung durch dieselbe von null verschiedene Zahl dividieren" und teile durch 2. Auf meine neugewonnene Gleichung x + 1 = 4 wende ich die Regel "Man darf auf beiden Seiten einer Gleichung dieselbe Zahl subtrahieren" an und subtrahiere 1. Ich erhalte x = 3, womit 3 meine gesuchte Zahl x ist <ref name=Malle/>.


Bei der Kategorie letter not used wird die Existenz der Variablen bestenfalls wahrgenommen, doch die Variable an sich vollständig ignoriert, da ihr keine Bedeutung zugesprochen wird (vgl. Warren, S. 661). Dies ist auch gar nicht nötig, da Aufgaben dieser Kategorie dadurch gelöst werden können, dass die Buchstaben einfach ignoriert werden (vgl. Küchemann 1984, S. 106).  
== Variablen in der Schule  ==
Damit SuS verständlich mit Variablen umgehen können, müssen alle drei Aspekte verinnerlicht werden <ref name=Siebel> Siebel, Franziska; Wittmann, Gerald (2014): Zahl und Variable. In: Helmut Linneweber-Lammerskitten (Hg.): Fachdidaktik Mathematik. Grundbildung und Kompetenzaufbau im Unterricht der Sek. I und II. 1. Auflage. Seelze: Klett/Kallmeyer (Lehren lernen), S. 30–47.</ref>, wobei das mechanische, kalkülhafte Operieren mit Variablen, insbesondere das Umformen von Termen und Lösen von Gleichungen, im Unterricht dominiert <ref name=Malle/>. Stattdessen sollte besser darauf geachtet werden, dass der Einsetzungs- und
Gegenstandsaspekt in vielfältigen Kontexten verankert ist, bevor der Kalkülaspekt behandelt wird <ref name=Siebel/>. Dadurch wird der Veränderlichenaspekt von Variablen im Unterricht bewusster behandelt und die SuS entwickeln das Verständnis hinter den Variablen und Operationen <ref name=Malle/>.  


Wenn ein Buchstabe als Objekt oder Name bzw. Abkürzung für ein Objekt wahrgenommen wird, spricht man von der Kategorie letter used as an object (vgl. Küchemann 1978, S. 25). Bei dieser Kategorie wird die Bedeutung des Buchstaben auf etwas sehr Konkretes und Reales beschränkt (vgl. Küchemann 1984, S. 107), wie zum Beispiel auf den Namen einer Seite einer Figur (vgl. Küchemann 1978, S. 25). Unter diese Kategorie fällt auch die so genannte „Fruchtsalat-Methode“, bei der die Variablen a und b beispielsweise durch Äpfel und Bananen ersetzt werden, um eine Aufgabe mit Sinn zu füllen. Die Methode ist jedoch nur begrenzt möglich, da man einen Term, wie "3a – b + a", beispielsweise nicht dadurch erklären kann, dass man 3 Äpfel hat und eine Banane wegnimmt (vgl. Küchemann 1984, S. 107).
== Literatur ==
* Arcavi, Abraham (2005): Developing and using symbol sense in mathematics. In: For the Learning of Mathematics 25, 2005 (2), S. 42–48.


Von einem letter as specif unknown spricht man, wenn der Buchstabe als eine bestimmte Unbekannte behandelt wird und mit diesem gerechnet werden kann, ohne den genauen Zahlenwert bestimmen zu müssen (vgl. Küchemann 1978, S. 25).  
* Barzel, Bärbel; Herget, Wilfried (2006): Zahlen, Symbole, Variablen - abstrakt und konkret. Plädoyer für einen lebendigen Umgang mit Termen. In: mathematik lehren (136), S. 4–9.


Die Kategorie letter as generalised number unterscheidet sich von der Kategorie letter as specific unknown insofern, dass der Buchstabe hier so gesehen wird, dass er nicht den Wert einer bestimmten Unbekannten, sondern beliebig viele Werte annehmen kann (vgl. Warren, S. 661).  
* Küchemann, Dietmar (1978): Children`s understanding of numerical variables. In: Mathematics in School 7 (4), S. 23–26.


Bei der Kategorie letter as variable sehen die SuS Buchstaben als Repräsentanten beliebiger unbestimmter Werte, wobei alle rationalen und auch irrationalen Zahlen inbegriffen sind (vgl. Warren, S. 661). Die Kategorie beinhaltet außerdem die Fähigkeit, Beziehungen zwischen den Buchstaben wahrzunehmen, wenn sich bestimmte Werte ändern (vgl. Küchemann 1978, S. 26).
* Küchemann, Dietmar (1993): Algebra. In: Kathleen M. Hart (Hg.): Children's understanding of mathematics. 11-16. 1. publ., repr. London: Murray, S. 102–119.


== Forschungsumfeld ==
* Mac Gregor, Mollie; Stacey, Kaye (1997): students´ understanding of algebraic notation. 11-15. In: educational studies in mathematics 33, 1997 (1), S. 1–19.
In diesem Abschnitt sollen [[:Kategorie:Institutionen|Arbeitsgruppen]] und [[:Kategorie:Personen|Personen]] benannt werden, die sich mit diesem Begriff in der Forschung beschäftigen. Bitte nutzen Sie die Möglichkeit, auf deren Einträge in Madipedia zu verweisen, auch falls eine Person noch keinen eigenen Eintrag hat.


== Genese ==
* Malle, Günther (1986): Variable. Basisartikel mit Überlegungen zur elementaren Algebra. In: mathematik lehren 15, 1986, S. 2–8.
Unter der Überschrift Genese können historische Zusammenhänge erläutert werden und die Entwicklung eines Begriffes über die Zeit hinweg dokumentiert werden.<ref name="literatur1"/>


== Fachdidaktische Diskussion ==
* Schill, Anne: Wege zu einem tragfähigen Variablenverständnis. In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2014, 48. Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik vom 10.03.2014 bis 14.03.2014 in Koblenz, S. 1063–1066.
Unter dieser Überschrift können fachdidaktische Kontroversen zum Begriff beschrieben werden. Die Diskussion ''über die Seite selbst'' sollte auf der dazugehörigen [[Diskussion:{{PAGENAME}}|Diskussionsseite]] (siehe die Reiter über dem Artikel) geführt werden.  


== Literatur ==
* Siebel, Franziska; Wittmann, Gerald (2014): Zahl und Variable. In: Helmut Linneweber-Lammerskitten (Hg.): Fachdidaktik Mathematik. Grundbildung und Kompetenzaufbau im Unterricht der Sek. I und II. 1. Auflage. Seelze: Klett/Kallmeyer (Lehren lernen), S. 30–47.


* Specht, Birte; Plöger, Heidi (2011): Das Kreuz mit dem x-Beliebigen. In: Der Mathematikunterricht 57 (2-2011), S. 4–15.
== Quellen ==
== Quellen ==
<references />Barzel,Bärbel; Herget, Wilfried (2006): Zahlen, Symbole, Variablen - abstrakt und
<references />{{zitierhinweis}}
konkret. Plädoyer für einen lebendigen Umgang mit Termen. In: mathematik lehren (136), S. 4–9.{{zitierhinweis}}