Mathematik – Moderne – Ideologie. Eine kritische Studie zur Legitimität und Praxis der modernen Mathematik: Unterschied zwischen den Versionen

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| name= Philipp Ullmann              <!-- Name der Autorin/des Autors -->
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| hochschule= TU Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  <!-- Name der Hochschule -->  
| hochschule= Technische Universität Braunschweig  <!-- Name der Hochschule -->  
| jahr = 2007                                                    <!-- Jahr der Promotion -->
| jahr = 2007                                                    <!-- Jahr der Promotion -->
| betreut1 =                                            <!-- Erstbetreuer/in -->  
| betreut1 =                                            <!-- Erstbetreuer/in -->  
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These 1: Das Bindeglied zwischen Moderne und Zahlen ist die ''Mathematik''.  
These 1: Das Bindeglied zwischen Moderne und Zahlen ist die ''Mathematik''.  
Grundlage für die Sicherheit, die wir in den Zahlen finden, für das Vertrauen, das wir ihnen entgegenbringen, ist das mathematische Wissen mit seinem Anspruch, rational, objektiv, universell gültig, und vor allem wertneutral zu sein. Und die Sicherheit, die 
wir in den Zahlen finden, ist wiederum Grundlage (zumindest eine Grundlage) für das Vertrauen, das wir in unsere modernen Lebensbedingungen haben.
Grundlage für die Sicherheit, die wir in den Zahlen finden, für das Vertrauen, das wir ihnen entgegenbringen, ist das mathematische Wissen mit seinem Anspruch, rational, objektiv, universell gültig, und vor allem wertneutral zu sein. Und die Sicherheit, die 
wir in den Zahlen finden, ist wiederum Grundlage (zumindest eine Grundlage) für das Vertrauen, das wir in unsere modernen Lebensbedingungen haben.
Dieses Argument und mit ihm der Zusammenhang von Mathematik, Moderne und Ideologie entfalte ich im ersten Teil des Buches. Nun ergibt sich aber folgenes Problem: Wie kann Mathematik Vertrauen und Sicherheit schaffen, wenn (siehe oben) die meisten Menschen gar keinen rechten Zugang zu eben dieser Mathematik haben?  
Dieses Argument und mit ihm der Zusammenhang von Mathematik, Moderne und Ideologie entfalte ich im ersten Teil des Buches. Nun ergibt sich aber folgenes Problem: Wie kann Mathematik Vertrauen und Sicherheit schaffen, wenn (siehe oben) die meisten Menschen gar keinen rechten Zugang zu eben dieser Mathematik haben?  


These 2: Unser Zutrauen in die alltagsweltliche Relevanz der Mathematik wird wesentlich durch die Schulmathematik legitimiert.  
These 2: Unser Zutrauen in die alltagsweltliche Relevanz der Mathematik wird wesentlich durch die Schulmathematik legitimiert.  
Ohne ihre ''Praxis'' wäre eine »reine« Mathematik gar nicht möglich, zumindest nicht in der Form, in der wir sie heute kennen. Erst in ihrer Vermittlung in der Schule (und in ihren Anwendungen) erhält die Mathematik Glaubwürdigkeit und ''Legitimität''.  
Ohne ihre ''Praxis'' wäre eine »reine« Mathematik gar nicht möglich, zumindest nicht in der Form, in der wir sie heute kennen. Erst in ihrer Vermittlung in der Schule (und in ihren Anwendungen) erhält die Mathematik Glaubwürdigkeit und ''Legitimität''.  
Dem Beleg dieser These ist der zweite Teil des Buches gewidmet. Mit der Durchsetzung der Schulpflicht (und damit des Mathematikunterrichts) im 19. Jahrhundert ist zumindest eine Erkenntnis im Bewusstsein verankert worden: Was auch immer es mit ihr auf sich hat, Mathematik ist wichtig im Leben. Sie befähigt idealiter dazu, mit verschiedenen Münzen und Währungen umzugehen, Geld- und Versicherungsgeschäfte zu tätigen, sich in einer technisierten und rationalisierten Welt zu behaupten – und entfaltet dabei durchaus ein emanzipatorisches Moment. Doch ganz nebenbei werden – unter dem Deckmantel der vermeintlichen Wertfreiheit der Zahl – die SchülerInnen zugerichtet für die Anforderungen der modernen Gesellschaft. Eine detaillierte Analyse von Mathematikschulbüchern von 1900 bis 1950 belegt gerade diesen Aspekt besonders plastisch.
Dem Beleg dieser These ist der zweite Teil des Buches gewidmet. Mit der Durchsetzung der Schulpflicht (und damit des Mathematikunterrichts) im 19. Jahrhundert ist zumindest eine Erkenntnis im Bewusstsein verankert worden: Was auch immer es mit ihr auf sich hat, Mathematik ist wichtig im Leben. Sie befähigt idealiter dazu, mit verschiedenen Münzen und Währungen umzugehen, Geld- und Versicherungsgeschäfte zu tätigen, sich in einer technisierten und rationalisierten Welt zu behaupten – und entfaltet dabei durchaus ein emanzipatorisches Moment. Doch ganz nebenbei werden – unter dem Deckmantel der vermeintlichen Wertfreiheit der Zahl – die SchülerInnen zugerichtet für die Anforderungen der modernen Gesellschaft. Eine detaillierte Analyse von Mathematikschulbüchern von 1900 bis 1950 belegt gerade diesen Aspekt besonders plastisch.


Um die Eingangsfrage noch einmal aufzugreifen: Welche gesellschaftliche Rolle also spielt die Mathematik, und wie steht es mit ihrem Bildungsanspruch?  
Um die Eingangsfrage noch einmal aufzugreifen: Welche gesellschaftliche Rolle also spielt die Mathematik, und wie steht es mit ihrem Bildungsanspruch?  
In seinem Antwortversuch setzt der kritische Blick des Buches den Focus auf die Vermittlung der Mathematik in der Schule, präpariert neben der vorgeblich freiheitlichen und emanzipatorischen Dimension ein totalisierendes und disziplinierendes Komplement heraus und konstatiert: Die Mathematik als moderne Volksbildung ist keine Bildung des Volkes, sondern eine Bildung ''zum'' Volk, indem sie den rechenhaften Staatsbürger heranbildet. Unter diesem Blickwinkel wird zugleich deutlich, dass sich das Dritte Reich, ein Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung, in eine Traditionslinie einreiht, die vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis hin zur Bundesrepublik reicht.  
In seinem Antwortversuch setzt der kritische Blick des Buches den Fokus auf die Vermittlung der Mathematik in der Schule, präpariert neben der vorgeblich freiheitlichen und emanzipatorischen Dimension ein totalisierendes und disziplinierendes Komplement heraus und konstatiert: Die Mathematik als moderne Volksbildung ist keine Bildung des Volkes, sondern eine Bildung ''zum'' Volk, indem sie den rechenhaften Staatsbürger heranbildet. Unter diesem Blickwinkel wird zugleich deutlich, dass sich das Dritte Reich, ein Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung, in eine Traditionslinie einreiht, die vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis hin zur Bundesrepublik reicht.  


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* Zweiter Preis
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== Schlagworte ==
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[[Mathematik und Gesellschaft]]


== Kontext ==
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           die sich mit dem Thema beschäftigen, etc. -->
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=== Literatur ===
=== Literatur ===
* [[Herbert Mehrtens]] [1990]: Moderne – Sprache – Mathematik. Eine Geschichte des Streits um die Grundlagen der Disziplin und des Subjekts formaler Systeme. Frankfurt: Suhrkamp.
* [[Herbert Mehrtens|Mertens, H.]] (1990): Moderne – Sprache – Mathematik. Eine Geschichte des Streits um die Grundlagen der Disziplin und des Subjekts formaler Systeme. Frankfurt: Suhrkamp.
* [[Dietlinde Stroop]] [1998]: Alltagsverständnis von Mathematik bei Erwachsenen. Eine qualitative empirische Studie. Frankfurt: Lang.
* [[Dietlinde Stroop|Stroop, D.]] (1998): Alltagsverständnis von Mathematik bei Erwachsenen. Eine qualitative empirische Studie. Frankfurt: Lang.
* [[Philipp Ullmann]] [2008]: Mathematik – Moderne – Ideologie. Eine kritische Studie zur Legitimität und Praxis der modernen Mathematik. Konstanz: UVK.
* [[Philipp Ullmann|Ullmann, P.]] (2008): Mathematik – Moderne – Ideologie. Eine kritische Studie zur Legitimität und Praxis der modernen Mathematik. Konstanz: UVK.
== Diskussion ==
<!-- Hier kann kritisch (aber sachlich) zur Arbeit Stellung genommen werden. -->