Funktion: kulturhistorische Aspekte: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 67: Zeile 67:
Daran anschließend versuchen '''Peirce''', '''Schröder''' und '''Peano''' erstmalig, ''Funktionen als Relationen'' und ''Relationen als Mengen geordneter Paare'' zu beschreiben, wobei sie „geordnetes Paar“ noch undefiniert verwenden.<br />
Daran anschließend versuchen '''Peirce''', '''Schröder''' und '''Peano''' erstmalig, ''Funktionen als Relationen'' und ''Relationen als Mengen geordneter Paare'' zu beschreiben, wobei sie „geordnetes Paar“ noch undefiniert verwenden.<br />
Felix '''Hausdorff''' definiert 1914 erstmalig „geordnetes Paar“ auf mengentheoretischer Grundlage (wenn auch noch nicht so elegant wie 1921 [http://de.wikipedia.org/wiki/Kazimierz_Kuratowski Kazimierz '''Kuratowski''']) und darauf aufbauend „Funktion“ als das, was wir heute ''„binäre, rechtseindeutige Relation“'' nennen: Damit wurde erstmalig der moderne [[Funktion: mengentheoretische Auffassung|Funktionsbegriff in mengentheoretischer Auffassung]] formal sauber definiert, basierend auf den Vorarbeiten vor allem der Mathematiker des 19. Jahrhunderts, wobei die vorherige Betrachtung und Einbeziehung empirischer Funktionen die Abkehr von der Forderung nach einem „Bildungsgesetz“ geradezu erzwungen hatte.<br >
Felix '''Hausdorff''' definiert 1914 erstmalig „geordnetes Paar“ auf mengentheoretischer Grundlage (wenn auch noch nicht so elegant wie 1921 [http://de.wikipedia.org/wiki/Kazimierz_Kuratowski Kazimierz '''Kuratowski''']) und darauf aufbauend „Funktion“ als das, was wir heute ''„binäre, rechtseindeutige Relation“'' nennen: Damit wurde erstmalig der moderne [[Funktion: mengentheoretische Auffassung|Funktionsbegriff in mengentheoretischer Auffassung]] formal sauber definiert, basierend auf den Vorarbeiten vor allem der Mathematiker des 19. Jahrhunderts, wobei die vorherige Betrachtung und Einbeziehung empirischer Funktionen die Abkehr von der Forderung nach einem „Bildungsgesetz“ geradezu erzwungen hatte.<br >
Diese Fassung des Funktionsbegriffs auf mengentheoretischer Grundlage entsprach den Bemühungen der Mathematik des 20. Jhs., das mathematische „Gebäude“ auf wenigen Fundamenten aufzubauen, um damit die Argumentationsbasis klein zu halten. <ref>Vgl. z. B. [Hischer 2012].</ref>
Diese Fassung des Funktionsbegriffs auf mengentheoretischer Grundlage entsprach den Bemühungen der Mathematik des 20. Jhs., das mathematische „Gebäude“ auf wenigen Fundamenten aufzubauen, um damit die Argumentationsbasis klein zu halten: <ref>Vgl. z. B. [Hischer 2012].</ref>
 
==Aktuell: Die große Vielfalt — viele „Gesichter“ von Funktionen==
Der 4000 Jahre lange Weg der kulturgeschichtlichen Entwicklung des Funktionsbegriffs von ''babylonischen Keilschrifttafeln'' bis hin zur mengentheoretischen Auffassung von ''„Funktion als rechtseindeutige Relation“'' startete ruhig und fast unmerklich, nahm mit Beginn der Neuzeit an Fahrt auf und explodierte dann mit ungeheurer Wucht seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Ergebnis in seiner nahezu vollendeten Form durch [http://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Hausdorff Hausdorff] und die Etablierung durch die [http://de.wikipedia.org/wiki/Nicolas_Bourbaki Bourbaki-Gruppe] muss als wissenschaftliche Glanzleistung der Mathematik angesehen werden: <ref>Aus dem ersten Absatz des ''Fazits'' bei [Hischer 2012, 163]; der nachfolgende Originaltext schließt daran an.</ref>
:: Doch was ist von dieser begrifflichen Ausschärfung übrig geblieben, wenn man sich [...] den tatsächlich heute praktizierten Umgang in der Mathematik und ihren Anwendungen mit dem vor Augen führt, was dort jeweils „Funktion“ genannt wird? Braucht „man“ angesichts der „vielen Gesichter“, unter denen uns Funktionen nun begegnen, den erreichten formalen „begrifflichen“ Höhenflug vielleicht in aller Regel gar nicht, weil – gerade bei „Anwendern“ – ganz andere Fragen „interessant“ sind oder geworden sind?
:: Und weiter: Braucht man vielleicht auch „Mengenlehre“ und „Logik“ gar nicht mehr (wie ehedem?) so sehr in der Mathematik – so möchte man fragen angesichts der Tatsache, dass entsprechende Vorlesungen kaum mehr angeboten werden, und wenn, dann eher in der Informatik oder in der Philosophie. Ist vielleicht vieles, was ursprünglich (z. B. mit [http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Cantor Cantor], [http://de.wikipedia.org/wiki/Gottlob_Frege Frege] und [http://de.wikipedia.org/wiki/Bertrand_Russell Russell] usw.) in die Mathematik gehörte, nunmehr in die Informatik abgewandert – eine Disziplin, die u. a. deshalb in den 1960er Jahren entstanden ist, weil die Mathematiker sich damals mehrheitlich nicht für die aufkommenden Fragestellungen interessierten oder interessieren wollten? So ist ja die Informatik als neue Disziplin u. a. von Mathematikern begründet worden, die in der Mathematik nicht mehr die Heimat fanden, die sie suchten.
:: Wie auch immer: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich in der derzeit vorliegenden und praktizierten Vielfalt des Verständnisses von „Funktion“ die kulturhistorische Aspektvielfalt der Begriffsentwicklung widerspiegelt: Jeder bzw. jede – egal ob Mathematiker(in) oder Anwender(in) – sucht sich den Aspekt heraus, der ihm oder ihr kontextbezogen am besten passt, um dann tatsächlich damit erfolgreich arbeiten zu können! Und möglicherweise sollten wir das nicht bedauern, sondern eher den großen Reichtum wertschätzen, mit dem sich uns der mit „Funktion“ bezeichnete Begriff durch seine vielen Gesichter als fundamentale Idee zeigt!
:: Wenn es jedoch um Grundlagenfragen geht, haben wir – basierend auf dem erarbeiteten Instrumentarium aus Mengenlehre und Logik – eine einwandfreie und äußerst leistungsfähige formale Fassung des Funktionsbegriffs zur Verfügung, die für eine saubere und präzise Kennzeichnung mathematischer Strukturen unerlässlich ist: '''[[Relation]]''' als mengentheoretisch definierter grundlegender strukturierender „Baustein“, worauf sich spezielle Relationen gründen, nämlich: '''[[Funktion: mengentheoretische Auffassung|Funktion]]''', '''[[Äquivalenzrelation]]''' und '''[[Ordnungsrelation]]'''. Und damit liegt ein ''Werkzeugkasten'' vor, mit dem man jegliche ''mathematische Strukturen'' beschreiben und untersuchen bzw. ''außermathematische Situationen strukturierend modellieren'' kann. <ref> Die im letzten Satz genannten Aspekte werden in [Hischer 2012, Kapitel 5] ausführlich dargestellt.</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==