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Fachdidaktische Analysen zur mathematischen Strömung des Bourbakismus im Kontext gesellschaftspolitischer Strukturen: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 12. Juli 2022, 10:02 Uhr


Maria Kerschbaumer (2022): Fachdidaktische Analysen zur mathematischen Strömung des Bourbakismus im Kontext gesellschaftspolitischer Strukturen. Dissertation, Paris-Lodron-Universität Salzburg.
Betreut durch Karl Josef Fuchs.
Begutachtet durch Karl Josef Fuchs und Ján Gunčaga.


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Zusammenfassung

Dem Außenstehenden mag es erstaunlich erscheinen, dass die mathematischen Theorien, deren Aussagen doch von apodiktischer Gewissheit sind, einem Wandel unterworfen sein sollen. (1)

Doch wie der deutsche Mathematik-Professor Heinrich Behnke in diesem Zitat andeutet, ist die Mathematik einem ebenso großen Wandel unterzogen wie andere Wissenschaften im 20. Jahrhundert.

Eine der letzten großen Entwicklungen in der Schulmathematik stellt die Kompetenzorientierung und Standardisierung dar. Damit soll nicht nur der Mathematikunterricht nachhaltiger gestaltet werden, sondern auch die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler messbar gemacht werden. (2)

Dazu gehört auch die standardisierte Reifeprüfung in Mathematik. In den sogenannten Typ-2-Aufgaben wird der Schwerpunkt auf die Vernetzung von Grundkompetenzen und die Anwendungsorientierung gelegt. Der Mathematikdidaktiker Hans Humenberger geht davon aus, dass „die Diskussion um Anwendungsorientierung im Mathematikunterricht“ (3) ein Resultat des „sehr stark strukturorientierten New Math“ ist. (4), (5) Diese Neue Mathematik, wie sie im deutschen Sprachraum genannt wird, orientiert sich im Wesentlichen an den „abstrakten Strukturen und Konzepte[n] der Mathematik“ (6), (7). Ausgangspunkt für die Neue Mathematik war die französische Gruppe Nikolas Bourbaki (8). Die Frage, wer Nicolas Bourbaki ist, beschäftigte bereits seine Zeitgenossen und soll am Beginn der Dissertation erörtert werden. Die Gruppe Nicolas Bourbaki verfolgte zunächst das Ziel, ein einbändiges Werk über die Analysis zu verfassen (9), welches nicht nur „ohne Hypothesen auskommen“ (10) sollte, sondern auch


(1) Behnke, 1956, S. 7. (2) Vgl. Leuders, 2011, S. 287. (3) Humenberger, 1997, S. 3. (4) Humenberger, 1997, S. 3. (5) Vgl. Humenberger, 1997, 3-4. (6) Leuders, 62011, S. 17. (7) Vgl. Leuders, 62011, S. 17., und vgl. Vollrath/ Roth, 22012, S. 114. (8) Vgl. . Leuders, Perspektiven, 18. (9) Vgl. Mashaal, 2006, S. 4-5. (10) Dressler, Bourbaki.


„kein Begriff sollte undefiniert, kein Schritt unbewiesen bleiben“ (11). Ihr Vorsatz, innerhalb eines Jahres damit fertig zu sein, ließ sich allerdings nicht umsetzen, denn bis heute konnte das bereits über 7 000 Seiten umfassende Werk nicht vollendet werden (12). Die Gruppe revolutionierte die Mathematik dahingehend, dass ihnen die Loslösung der Mathematik von den Anwendungsgebieten gelang und sie die Mathematik als Lehre von Strukturen etablierten. Dabei waren nicht nur mathematische Strenge, sondern auch logische Vorgehensweise besonders wichtig. Außerdem wird besonders Wert auf die Begriffsdefinitionen und bewiesene Erklärungen gelegt. Ausgehend von dieser Art Mathematik zu betreiben, haben ich vier Hypothesen erstellt, welche ich durch Literaturrecherche bzw. Vergleiche überprüft habe, um anschließend Längsschnitte über die Entwicklungslinien zu erhalten. Hypothese 1: Gesellschaftspolitische, philosophische und mathematische Faktoren beeinflussten die Bedeutung des Bourbakismus und der Schulmathematik stark. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die Mathematik immer mehr an Bedeutung. Erklären lässt sich dies durch die neuen Anwendungsgebiete wie zum Beispiel der elektronischen Datenverarbeitung (13). In den 1950er und 1960er Jahren erlebte die westliche Welt durch das wirtschaftliche Wachstum, den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt eine tiefgreifende Veränderung (14).

Des Weiteren intensivierte sich der Wettstreit 

zwischen dem Westen und der Sowjetunion und nach dem Start der Sputnik 1957, hatten die westlichen Ländern das Gefühl im Bereich der Technologie der UdSSR hinterherzufallen. Man kam zur Ansicht, dass ein fundiertes mathematisches Wissen für alle Naturwissenschaftler notwendig war (15). In Kapitel 3 soll daher geklärt werden, welche Faktoren aus Philosophie,


(11) Dressler, Bourbaki. (12) Vgl. Dressler, Bourbaki. (13) Vgl. Kollosche, 2015, S. 56. (14) Vgl. Mashaal, 2006, S. 183. (15) Vgl. Kollosche, 2015, S.56 und vgl. Mashaal, Bourbaki, 183.


Psychologie und der Mathematik selbst dazu beigetragen haben, dass sich der Einfluss der Bourbakismus ausweiten konnte. Die Hypothese soll mit Hilfe einer Literaturrecherche näher untersucht werden. Dabei soll auch die Frage geklärt werden, welche weiteren Faktoren – gesellschaftspolitischer, philosophischer und mathematischer Natur – den Bourbakismus und die Schulmathematik beeinflusst haben. Martin Rathgeb, Markus Helmerich, Ralf Krömer, Katja Lengnink und Gregor Nickel haben sich dabei bereits unter anderem mit dieser befasst. In ihrem Buch Mathematik als Prozess gehen sie dabei philosophische, historische und didaktische Perspektive der Entwicklung der Mathematik ein. Hypothese 2: Der Bourbakismus prägte die Entwicklung der Fachdidaktik Mathematik in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend und bis heute lässt sich sein Einfluss auf die Schulmathematik feststellen. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts begann man die Schulmathematik zu reformieren und wollte dabei auch die Ideen der Bourbaki-Gruppe einbringen. Ziel war es, nicht nur das Studium der Mathematik auf der Grundlage von „einfachen“ Strukturen zu etablieren, sondern das „Fundament schon in der Schule zu legen“ (16), (17). In Kapitel 4 soll daher geklärt werden, wie der Bourbakismus die Schulmathematik und die fachdidaktischen Prinzipien bis heute beeinflusst hat. Des Weiteren soll in der vorliegenden Dissertation analysiert werden, wie sich die Neue Mathematik auf die weitere Entwicklung fachdidaktischer Prinzipien ausgewirkt hat und warum sich die Strukturmathematik in der Schule nicht durchsetzen konnte. Dabei soll in der vorliegenden Dissertation analysiert werden, wie sich die Neue Mathematik auf die weitere Entwicklung fachdidaktischer Prinzipien ausgewirkt hat.


(16) Meschkowski, 1973b, S. 117. (17) Vgl. Meschkowski, 1973b, S. 117.


Hypothese 3: Sowohl in der Mathematikdidaktik als auch in der Geschichtsdidaktik spielte im 20. Jahrhundert die Struktur eine wesentliche Rolle. Hypothese 4: Außerdem lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in der jeweiligen Entwicklung der beiden Fachdidaktiken feststellen. Der Mathematiker, Physiker und Philosoph Knut Radbruch sieht in dem Begriff Struktur einen „gemeinsamen Schlüsselbegriff“ (18), der sowohl in der Mathematik als auch in Geschichtswissenschaft eine wesentliche Rolle spielt. Dabei befasst man sich in der Mathematik vor allem mit algebraischen und topologischen Strukturen, in der Geschichte sind politische und soziale Strukturen von Bedeutung (19). Ausgehend von der französischen Schule der Annales veränderte sich die Historiographie von einer Ereignis- und Herrschergeschichte hin zu einer sozialen Geschichte (20).

Die Geschichts-Didaktikerin Annette Kuhn sieht die 

„Geschichte als Strukturgeschichte“ (21) als eine der Grundideen in der curricularen Debatte in den 1970 Jahren. Die Frage nach gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen rückte also ins Zentrum (22). Der Sozialhistoriker Jürgen Kocka weist allerdings auch darauf hin, dass die Einführung der Strukturgeschichte sowie andere Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft zwar von Seiten der Bundesrepublik Deutschland „als wünschenswert und fortschrittlich angesehen“ (23) wurden, es aber durchaus auch Widerwillen und Bedenken gab (24) Auch Bourbaki fasste die „Mathematik als Strukturwissenschaft“ (25) auf und verfolgte bereits das Ziel die Mathematik als interdisziplinäre Wissenschaft zu etablieren.(26)


(18) Radbruch, 1989, S. 120. (19) Vgl. Radbruch, 1989, S. 120. (20) Vgl. Torp, 32014, S. 184. (21) Kuhn, 1974, S. 12. (22) Vgl. Torp, 32014, S. 184. (23) Kocka, 1978, S. 14. (24) Vgl. Kocka, 1978, S. 14. (25) Basieux, 42011, S. 10-11. (26) Vgl. Basieux, Architektur, Seite 10-11.


Sowohl die fachdidaktische als auch die fachwissenschaftliche Forschung behandelt dabei den Begriff der Struktur isoliert und geht dabei nicht auf Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Wissenschaften ein. In dieser Arbeit sollen dabei sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede und deren Bedeutung für die Mathematikdidaktik und die Geschichtsdidaktik erörtert werden. Untersuchungsgrundlage stellt dabei die gängige fachdidaktische Literatur dar. Die Hypothesen 3 und 4 sollen mit Hilfe eines Literaturvergleiches der gängigen Fachdidaktischen Literatur belegt werden.

Da es in der Literatur kaum aktuelle Arbeiten gibt, die sich mit den Gemeinsamkeiten und Gegensätzen einerseits in der Position des Bourbakismus und andererseits in der Betrachtung gesellschaftspolitischer Strukturen befassen, soll die Dissertation dazu betragen diese Forschungslücke zu schließen. Des Weiteren sollen dabei Erkenntnisse gewonnen werden, welche Faktoren sowohl die Mathematikdidaktik als auch die Geschichtsdidaktik beeinflusst haben und ob es Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten in der Entwicklung gibt.