Bildung: Unterschied zwischen den Versionen

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:: '''Bildung''' [...]. 2) der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt, zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht, wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern wer durch sein Wisssen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das Wertvolle erfaßt, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt, Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil erworben hat. Gebildet ist in einem Lebenskreis, wer den wertvollen Inhalt des dort überlieferten oder zugänglichen Geistes in eine persönlich verfügbare Form verwandelt hat.
:: '''Bildung''' [...]. 2) der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt, zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht, wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern wer durch sein Wisssen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das Wertvolle erfaßt, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt, Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil erworben hat. Gebildet ist in einem Lebenskreis, wer den wertvollen Inhalt des dort überlieferten oder zugänglichen Geistes in eine persönlich verfügbare Form verwandelt hat.
Als Literaturbezug werden hier Georg [http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Kerschensteiner '''Kerschensteiner''']: ''Theorie der Bildung'' (1926), Max [http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Scheler '''Scheler''']: ''Bildung und Wissen'' (1947) und Theodor [http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Litt '''Litt''']: ''Berufsbildung und Allgemeinbildung'' (1947) genannt. Bemerkenswert an dem Brockhaus-Beitrag ist, dass hier der zu Bildende als Subjekt im Vordergrund zu stehen scheint. Klafkis Arbeit setzt hiernach an.
Als Literaturbezug werden hier Georg [http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Kerschensteiner '''Kerschensteiner''']: ''Theorie der Bildung'' (1926), Max [http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Scheler '''Scheler''']: ''Bildung und Wissen'' (1947) und Theodor [http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Litt '''Litt''']: ''Berufsbildung und Allgemeinbildung'' (1947) genannt. Bemerkenswert an dem Brockhaus-Beitrag ist, dass hier der zu Bildende als Subjekt im Vordergrund zu stehen scheint. Klafkis Arbeit setzt hiernach an.
===Bildung als Prozess der Entwicklung der Bildsamkeit?===
===„Bildung“ als Prozess der Entwicklung der Bildsamkeit?===
Friedrich W. '''Kron''' schreibt in seiner Darstellung von Klafkis Theorie der kritisch-konstruktiven Didaktik u. a. zur „'''Bildsamkeit'''“: <ref>[Kron 2000, 122]; Hervorhebungen nicht im Original.</ref>
Friedrich W. '''Kron''' schreibt in seiner Darstellung von Klafkis Theorie der kritisch-konstruktiven Didaktik u. a. zur „'''Bildsamkeit'''“: <ref>[Kron 2000, 122]; Hervorhebungen nicht im Original.</ref>
::Die bildungstheoretische Bestimmung didaktischen Handelns ist nicht aus einem archimedischen Punkt abgeleitet, sondern sie entspringt aus einer Paradoxie. Diese wurde bereits von Herbart [...] beschrieben, und sie hat auch in der Gegenwart noch Geltung. Sie ist einerseits dadurch gekennzeichnet, daß kulturelle Vermittlungsprozesse stets zielgerichtet und begründet sein müssen, daß ihnen aber andererseits in Erfahrung und Umgang, in Interesse und Gedankenkreis der Lernenden selbst eine individuelle Lebendigkeit entgegentritt, die sich den Arrangements nicht immer unterwirft, sondern diese auch durchbricht. Herbart hatte diese '''innere Lebendigkeit''' als '''Bildsamkeit''' bezeichnet. In der Tradition der bildungstheoretischen Diskussioen wird der '''Prozeß der Entwicklung der Bildsamkeit''' mit dem Begriff der '''Bildung''' belegt.
::Die bildungstheoretische Bestimmung didaktischen Handelns ist nicht aus einem archimedischen Punkt abgeleitet, sondern sie entspringt aus einer Paradoxie. Diese wurde bereits von Herbart [...] beschrieben, und sie hat auch in der Gegenwart noch Geltung. Sie ist einerseits dadurch gekennzeichnet, daß kulturelle Vermittlungsprozesse stets zielgerichtet und begründet sein müssen, daß ihnen aber andererseits in Erfahrung und Umgang, in Interesse und Gedankenkreis der Lernenden selbst eine individuelle Lebendigkeit entgegentritt, die sich den Arrangements nicht immer unterwirft, sondern diese auch durchbricht. Herbart hatte diese '''innere Lebendigkeit''' als '''Bildsamkeit''' bezeichnet. In der Tradition der bildungstheoretischen Diskussioen wird der '''Prozeß der Entwicklung der Bildsamkeit''' mit dem Begriff der '''Bildung''' belegt.
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:: Die bildungstheoretische Diskussion hat zu der grundlegenden Einsicht geführt, daß der Mensch in einem lebendigen Verhältnis zur kulturellen Welt steht und diese sinnverstehend auslegt. In der systematischen Betrachtung dieses Grundphänomens erscheint dieses Verhältnis als ein Prozeß, in welchem dem Menschen eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Der Mensch wird als jene produktive Stelle angesehen, in welcher die Dinge und Symbole der Welt verarbeitet und als kulturelle Leistungen wieder veräußert werden. Im Individuum kommen somit zwei Momente ins Spiel: die kulturellen Inhalte und die innereren Kräfte. In der Sprache der Bildungstheoretiker werden diese Momente als materialer und formaler Aspekt dieses Prozesses, der Prozeß selbst als Bildungsprozeß bezeichnet; denn in diesem Prozeß bringt der Mensch sich selbst und über sich selbst auch die Kultur hervor. Damit ist das Individuum in seinem Bildungsprozeß in das Zentrum pädagogischer und didaktischer Diskussionen und Forschungen gerückt.
:: Die bildungstheoretische Diskussion hat zu der grundlegenden Einsicht geführt, daß der Mensch in einem lebendigen Verhältnis zur kulturellen Welt steht und diese sinnverstehend auslegt. In der systematischen Betrachtung dieses Grundphänomens erscheint dieses Verhältnis als ein Prozeß, in welchem dem Menschen eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Der Mensch wird als jene produktive Stelle angesehen, in welcher die Dinge und Symbole der Welt verarbeitet und als kulturelle Leistungen wieder veräußert werden. Im Individuum kommen somit zwei Momente ins Spiel: die kulturellen Inhalte und die innereren Kräfte. In der Sprache der Bildungstheoretiker werden diese Momente als materialer und formaler Aspekt dieses Prozesses, der Prozeß selbst als Bildungsprozeß bezeichnet; denn in diesem Prozeß bringt der Mensch sich selbst und über sich selbst auch die Kultur hervor. Damit ist das Individuum in seinem Bildungsprozeß in das Zentrum pädagogischer und didaktischer Diskussionen und Forschungen gerückt.
Durch diese Hervorhebung des „prozesshaften Charakters“ von „Bildung“ (als ''einem'' der beiden Aspekte von „Bildung“) darf aber nicht verkannt werden, dass dieser Prozess zu einem Ergebnis dieser „Bildung“ (als dem anderen Aspekt) führt, das dann ebenfalls mit „Bildung“ bezeichnet wird.
Durch diese Hervorhebung des „prozesshaften Charakters“ von „Bildung“ (als ''einem'' der beiden Aspekte von „Bildung“) darf aber nicht verkannt werden, dass dieser Prozess zu einem Ergebnis dieser „Bildung“ (als dem anderen Aspekt) führt, das dann ebenfalls mit „Bildung“ bezeichnet wird.
===Klafki und „die Heimholung des Bildungsbegriffs“===
===Klafki und „die Heimholung des Bildungsbegriffs“===
Der Marburger Erziehungswissenschaftler Hans-Christoph [http://www.uni-marburg.de/fb21/schulpaed/institut/personal/berg '''Berg'''] spricht 1988 von der „zwanzigjährigen Aussperrung des zweihundertjährigen Bildungsbegriffs“, schreibt in diesem Zusammenhang Klafki die „Heimholung des Bildungsbegriffs“ zu und schreibt u. a. mit Bezug auf den Heidelberger Allgemeinbildungskongress 1986: <ref>[Berg 1988, 20–21]</ref>
Der Marburger Erziehungswissenschaftler Hans-Christoph [http://www.uni-marburg.de/fb21/schulpaed/institut/personal/berg '''Berg'''] spricht 1988 von der „zwanzigjährigen Aussperrung des zweihundertjährigen Bildungsbegriffs“, schreibt in diesem Zusammenhang Klafki die „Heimholung des Bildungsbegriffs“ zu und schreibt u. a. mit Bezug auf den Heidelberger Allgemeinbildungskongress 1986: <ref>[Berg 1988, 20–21]</ref>