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Integrative Medienpädagogik

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Verfasst von Horst Hischer

Übersicht

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Integrative Medienpädagogik als Bildungsauftrag in doppeltem Sinn „inte­gra­tiv“: Sie umfasst einerseits alle drei Teilbereiche der Medienpädagogik (Mediendidaktik, Medienkunde und Medienerziehung), und sie betrifft andererseits im Prinzipe alle Unterrichtsfächer (in je fachspezifischer Weise).

„Inte­gra­tive Medienpäda­gogik“ bezeichnet ein normatives didaktisches Konzept: [1]

  • Alle drei Teilbereiche der Medienpädagogik – nämlich: Mediendidaktik, Medienkunde und Medienerziehung – sind für Planung, Durch­­­füh­rung und Evalu­a­tion von Unterricht in ihrer Gesamtheit (und damit „integrativ“) wichtig.
  • Eine so verstandene Medienpä­da­­go­gik kann nicht von ei­­nem einzelnen Unter­richts­fach allein über­­nommen wer­den, viel­mehr sind im Prin­zip alle Unter­richts­fächer gemein­sam (und damit „integrativ“) mit je spezifi­schen Ansätzen gefordert.

Dieses didaktische Konzept ist aus diesen beiden Gründen als „integrativ“ anzusehen: Einerseits sind die drei wesentlichen Aspekte der Medienpädagogik gemeinsam zu berücksichtigen, und andererseits betrifft das Konzept als gemeinsame Bildungsaufgabe im Prinzip alle Unterrichtsfächer, wenn auch in je fachspezifischer Weise.

Mathematikunterricht und Medien: traditionelle Sicht

Für den Mathematikunterricht geht es bei „Medien“ in traditioneller Sicht um den unterrichtsmethodisch und innermathematisch begründeten Einsatz von „Unterrichtsmedien“ zur Erreichung zuvor gesetzter Unterrichtsziele, also als „Unterrichts­mittel“. Dies betrifft (oder betraf) zunächst vor allem Tafel und Kreide, dann den Overheadprojektor, Tabellenwerke, Kurvenlineale und geometrische Werkzeuge bis hin zu Taschenrechnern und Computern: So bieten die auf Methoden und Techniken der Informatik beruhenden sog. „Neuen Medien“ in Bezug auf den Mathematik­unter­richt vielfältige und neuartige Möglichkeiten des „Computereinsatzes“, der seit den 1970er Jahren in der Mathematikdidaktik intensiv und seriös erörtert wird – wobei allerdings auch hier „Medien“ (nahezu nur) unter dem Aspekt von „Unterrichtsmedien“ auftreten. Zusammengefasst: Im Mathematikunter­richt haben Medien traditionell die didaktische Funktion als Hilfsmittel (z. B. zur Visualisierung) oder als Werkzeug.

Mathematikunterricht und Medienpädagogik: traditionelle Sicht

„Medienpädagogik“ wird in ebenfalls traditioneller mathematikdidaktischer Sicht als inhaltlich disparat zum Mathematikunterricht gesehen: Denn in der Schule scheint Medienpädagogik eher für Film, Fernsehen, Computerspiele, Massenmedien usw. zuständig zu sein, und sie betrifft dann von diesem Standpunkt aus nicht den Mathematikunterricht. Beim Konzept „Integrative Medienpädagogik“ werden Medien dagegen aus einer Perspektive von Allgemeinbildung darüber hinaus zum „Unterrichtsinhalt“ – aktuell insbesondere für „Neue Medien“. Für den Mathematikunterricht wird der daraus erwachsende Bildungsanspruch noch als fremdartig empfunden, insbesondere weil hier „von außen“ Bildungsaufgaben an den Mathematikunterricht herangetragen werden, während sich der Mathematikunterricht in traditioneller Sicht durch die „Vermittlung eines gültigen Bildes von Mathematik“ definiert.

Integrative Medienpädagogik: ganzheitlicher Ansatz und Perspektivenmatrix

Die Bezeichnung „Integrative Pädagogik“ verwendete wohl erstmalig Wolf-Rüdiger Wagner [2], und zwar mit Bezug auf den für das Konzept der „informations- und kommunikationstechnologischen Bildung“ kennzeichnenden fachübergreifenden integrativen Ansatz. Dieser integrative Ansatz war mit einer Ab­sage an das in den 1980er Jahren propagierte „Leit­­fach­prinzip“ verbunden, für das damals oft die Mathematik (z. T. auch die Informatik) favorisiert wurde – denn kein einzelnes Fach ist in der Lage, ein quer zu den Fachdisziplinen liegendes Thema wie „Medien“ – und insbesondere „Neue Medien“ – aus sich heraus angemessen zu behandeln. Dieser integrative Ansatz, also die Einbeziehung nahezu aller Fächer mit ihren je spezifischen Möglichkeiten, bildet eine der beiden Säulen einer „Inte­gra­tiven Medienpäda­gogik“. Ihre andere Säule besteht aus der Trias der drei medienpädagogischen Aspekte (Mediendidaktik,Medienkunde und Medienerziehung) in Verbindung mit der Dyas aus Unterrichtsmittel und Unterrichtsinhalt, deren Zusammenwirken in der Perspektiven­matrix für technische Medien qualitativ visualisiert wird. Diese Perspektiven­matrix macht zugleich den ganzheitlichen Ansatz beim Konzept der Integrativen Medien­pädagogik deutlich – sie betrifft insbesondere Neue Medien, darüber hinaus aber auch Medien schlecht­hin.

Integrative Medienpädagogik und Medienbildung

Seit einiger Zeit taucht in der medienpädagogischen Literatur zunehmend der neue und schillernde Terminus „Medienbildung“ auf. „Medienbildung – Eine Einführung“ heißt das 2009 erschienene Buch von Benjamin Jörissen und Winfried Marotzki.[3] Zwar fehlt eine explizite Definition von „Medienbildung“, jedoch lässt ihre wesentliche Feststellung der Unhintergehbarkeit medialer Sozialisation – also eines Nicht­aus­wei­­chen­kön­nens gegenüber einer Sozialisation durch Medien – erahnen, was sie meinen: Ein wesentlicher Aspekt der von ihnen postulierten „Medien­bildung“ ist als Anleitung und Herausbildung zu einem kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit Medien beschreibbar – was im Sinne von Issing mit „Medienerziehung“ anzusprechen ist.[4] Da aus medienpädagogischer Sicht ein solches Verständnis von „Medienbildung“ vor­­­aussetzt bzw. mit einschließt, dass Medien im Unterricht sowohl unter mediendidaktischen als auch unter medienkund­lichen Aspekten eine Rolle spielen, sind die Konzepte „Medienbildung“ (im Sinne von Jöris­sen und Marotzki) und „integrative Medienpädagogik“ im Grundsatz vereinbar, auch aus schwerpunktmäßig je eigener Perspektive: „Integrative Medienpädagogik“ stellt die Bedeutung der Medien und insbesondere der Neuen Medien aus Sicht der Unterrichtsorganisation dar, also eher aus dem Blick der Lehrenden; hingegen verschiebt „Medienbildung“ den Standort der Betrachtung mehr in Richtung des Bildungsgehalts und damit eher in Richtung der Lernen­den. Beide Sicht­weisen ge­hö­ren aber zusammen. Damit ist zwischen beiden Kon­zepten kein grund­sätz­li­cher Un­ter­schied erkennbar. Diese Interpretation wird auch durch das aktuelle Buch von Tulod­ziecki et al. (2010) gestützt. [5]

Literatur

  1. Hischer, Horst [2002]. Mathematikunterricht und Neue Medien. (3., durchgesehene, korrigierte und aktualisierte Auflage 2005). Hildesheim: Franzbecker, S. 55 f.; Hischer, Horst [2005]. Aliasing und Neue Medien — Ein Beitrag zur Integrativen Medienpädagogik. In: Kaune, Christa & Schwank, Inge & Sjuts, Johann (Hrsg.). Mathematikdidaktik im Wissenschaftsgefüge — Zum Verstehen und Unterrichten mathematischen Denkens. Festschrift für Elmar Cohors-Fresenborg. Osnabrück: Schriftenreihe des FMD, Nr. 40.1, 2005, S. 115 – 129.; Hischer, Horst [2010]. Was sind und was sollen Medien, Netze und Vernetzungen? – Vernetzung als Medium zur Weltaneignung. Hildesheim: Franzbecker, S. 44.
  2. Wagner, Wolf-Rüdiger [1992]. Kommunikationskultur und Allgemeinbildung – Plädoy­er für eine integrative Medienpädagogik. In: Schill, Wolfgang & Tulodziecki, Gerhard & Wagner, Wolf-Rüdiger (Hrsg.): Medienpädagogisches Handeln in der Schule. Opladen: Leske + Budrich, S. 135 – 149.
  3. Jörissen, Benjamin & Marotzki, Winfried [2009]. Medienbildung — Eine Einführung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
  4. Issing, Ludwig J. (Hrsg.) [1987]. Medienpädagogik im Informationszeitalter. Weinheim: Deutscher Studienverlag.
  5. Tulodziecki, Gerhard & Herzig, Bardo & Grafe, Silke [2010]. Medienbildung in Schule und Unterricht. Grundlagen und Beispiele. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.