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Simulationen im Stochastikunterricht: Unterschied zwischen den Versionen

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„Unter Simulation versteht man in der Wissenschaft die Nachbildung eines realen Objektes
„Unter Simulation versteht man in der Wissenschaft die Nachbildung eines realen Objektes
oder Vorgangs als Modell und die Nutzung dieses Modells an Stelle des Originals.“ <sup>1</sup> <br />
oder Vorgangs als Modell und die Nutzung dieses Modells an Stelle des Originals.“ <ref>Horton, Graham (2003): Simulation: Das virtuelle Labor. In: Magdeburger Wissenschaftsjournal 1-2: 45-52., S. 45 </ref> <br />


In der Stochastik werden Zufallsexperimente simuliert, wobei die Bestandteile durch geeignete einfache Zufallsgeräte (z. B. Würfel, Münze, Urne, Glücksrad, Galton- Brett) oder über Zufallszahlen abgebildet werden.<sup>2</sup> <br />
In der Stochastik werden Zufallsexperimente simuliert, wobei die Bestandteile durch geeignete einfache Zufallsgeräte (z. B. Würfel, Münze, Urne, Glücksrad, Galton-Brett) oder über Zufallszahlen abgebildet werden. <ref name=Meyfarth>[[Thorsten Meyfarth|Meyfarth, Thorsten]] (2008): [[Die Konzeption,  Durchführung  und Analyse eines simulationsintensiven Einstiegs in das  Kurshalbjahr  Stochastik der gymnasialen Oberstufe – Eine explorative  Entwicklungsstudie]]. Dissertation, Universität Kassel </ref> <br />
[[Uwe-Peter Tietze|Tietze]] betont in seiner Definition zusätzlich den Modellaspekt: <br />
„Unter Simulation versteht man in der Stochastik Verfahren, mit Hilfe von geeigneten Zufallsgeneratoren eine stochastische Situation „nachzuspielen“, um so ein Modell für diese Situation zu erhalten, das dann zur weiteren Analyse und zur Prognose eingesetzt werden kann.“ <sup>3</sup> <br />


[[Carmen Maxara|Maxara]] hebt die Modellbildung als einen unerlässlichen Bestandteil des Simulierens hervor: <br />
[[Uwe-Peter Tietze|Tietze]] verweist auch für Simulationen im Stochastikunterricht auf den Modellaspekt: „Unter Simulation versteht man in der Stochastik Verfahren, mit Hilfe von geeigneten Zufallsgeneratoren eine stochastische Situation „nachzuspielen“, um so ein Modell für diese Situation zu erhalten, das dann zur weiteren Analyse und zur Prognose eingesetzt werden kann.“ <ref>Tietze u. a. (2002). Didaktik der Stochastik, Band 3. Mathematikunterrichtin der Sekundarstufe II. Tietze, Uwe-Peter; Klika, Manfred; Wolpers, Hans (Hrsg.) Braunschweig, Vieweg, S. 129.</ref> <br />
„Wenn man die Realsituation durch ein passendes Modell ersetzt, anhand dessen Experimente durchgeführt werden, so spricht man von Simulation.“ <br />
„Erst die Modellierung einer stochastischen Situation macht das Durchführen eines Zufallsexperiments zu einer Simulation“.<sup>4</sup> <br />


[[Rolf Biehler|Biehler]] nennt drei Situationen, in denen stochastische Simulationen sinnvoll eingesetzt werden können: <sup>4</sup>
[[Carmen Maxara|Maxara]] hebt die Modellbildung als einen unerlässlichen Bestandteil des Simulierens hervor: „Wenn man die Realsituation durch ein passendes Modell ersetzt, anhand dessen Experimente durchgeführt werden, so spricht man von Simulation.“ <br />
„Erst die Modellierung einer stochastischen Situation macht das Durchführen eines Zufallsexperiments zu einer Simulation“ [Maxara 2008 <ref name=Maxara>[[Carmen Maxara|Maxara, Carmen]] (2008): [[Stochastische Simulation von  Zufallsexperimenten mit Fathom – eine theoretische Werkzeuganalyse und  explorative Fallstudie]]. Dissertation, Universität Kassel</ref>, S. 14-15]. <br />
 
[[Rolf Biehler|Biehler]] nennt drei Situationen, in denen stochastische Simulationen sinnvoll eingesetzt werden können [Maxara 2008 <ref name=Maxara></ref>, S. 14]:
* um Theorien zu überprüfen (Theorieprüfung),
* um Theorien zu überprüfen (Theorieprüfung),
* um Vermutungen für und Hinweise auf theoretische Ergebnisse zu gewinnen (Heuristische Funktion)
* um Vermutungen für und Hinweise auf theoretische Ergebnisse zu gewinnen ([[Heuristik|Heuristische Funktion]]),
* um Wahrscheinlichkeiten rein statistisch zu bestimmen (Schätzfunktion)  <br />
* um Wahrscheinlichkeiten rein statistisch zu bestimmen (Schätzfunktion). <br />
Insbesondere die Verwendung von Statistiksoftware wie Exel, SPSS und FATHOM am Computer ermöglicht einen vielversprechenden Einsatz von Simulationen. Es können auf vielfältige Arten Zufallszahlen erzeugt werden, typische Zufallsgeräte wie Würfel, Münze sowie das Ziehen aus der Urne mit und ohne Zurücklegen der Urne mit und ohne Zurücklegen lassen sich nachbilden und Zufallsexperimente können auf einfache und schnelle Weise 1000fach oder 10000fach wiederholt werden. Vorteilhaft ist zudem die die einfache grafische Darstellung der entstehenden Häufigkeitsverteilungen.<sup>5</sup>
Die Verwendung von Statistiksoftware wie Exel, SPSS und FATHOM am Computer kann ggf. einen Einsatz von Simulationen erleichtern. Es können auf vielfältige Arten Zufallszahlen erzeugt werden, typische Zufallsgeräte wie Würfel, Münze sowie das Ziehen aus der Urne mit und ohne Zurücklegen lassen sich nachbilden, und Zufallsexperimente können auf einfache und schnelle Weise 1000-fach oder 10000-fach wiederholt werden. Vorteilhaft ist zudem die einfache grafische Darstellung der entstehenden Häufigkeitsverteilungen.<ref>[[Rolf Biehler|Biehler, Rolf]]; [[Carmen Maxara|Maxara, Carmen]] (2007):  Integration von stochastischer Simulation in den Stochastikunterricht mit Hilfe von Werkzeugsoftware. In: Der Mathematikunterricht 53 (3): 45-62. </ref>


==Ziele beim Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht==
==Ziele beim Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht==
[[Rolf Biehler|Biehler]] differenziert zwei Klassen von didaktischen Anwendungen der stochastischen Simulation: <br />
[[Rolf Biehler|Biehler]] differenziert zwei Klassen von didaktischen Anwendungen der stochastischen Simulation: Zum einen kann die Simulation als Werkzeug zur Lösung stochastischer Problemstellungen genutzt werden. Die Simulation dient dabei als Ersatz oder Kontrolle für theoretische Berechnungen. Zum zweiten ermöglicht die Verwendung von Computersimulationen einen experimentellen Umgang mit stochastischen Problemstellungen. Darüber werden Schüler vertraut mit stochastischen Situationen, und man kann das intuitive Verständnis der Schüler fördern. Weiter kann man über den experimentellen Zugang zentrale stochastische Begriffe wie z. B. den Erwartungswert, die Varianz und auch den Verteilungsbegriff vorbereiten [Meyfarth 2008 <ref name=Meyfarth></ref>, S. 15-16]. <br />
Zum einen kann die Simulation als Werkzeug zur Lösung stochastischer Problemstellungen verwendet werden. Die Simulation dient hier als Ersatz oder Kontrolle für theoretische Berechnungen. Zum zweiten ermöglicht die Verwendung von Computersimulationen einen experimentellen Umgang mit stochastischen Problemstellungen. Hierüber werden Schülerinnen und Schüler vertraut mit stochastischen Situationen und man kann das intuitive Verständnis der Schülerinnen und Schüler fördern. Weiter kann man über den experimentellen Zugang zu stochastischen Problemstellungen zentrale stochastische Begriffe wie z. B. den Erwartungswert, die Varianz oder auch den Verteilungsbegriff vorbereiten. <sup>2</sup> <br />
   
   
[[Thorsten Meyfarth|Meyfarth]] betont zudem das durch den Einsatz im Simulationen im Stochastikunterricht ein zweiter Zugang zum Wahrscheinlichkeitsbegriff möglich wird. Über relative Häufigkeiten in vielfach wiederholten Simulationsdurchgängen können Wahrscheinlichkeiten bestimmt und so der frequentistische Zugang gewählt werden.<sup>2</sup> Hier zahlt sich insbesondere der Computereinsatz für das häufige Wiederholen von Zufallsexperimenten aus. <br />
[[Thorsten Meyfarth|Meyfarth]] betont zudem, dass durch den Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht ein zweiter Zugang zum Wahrscheinlichkeitsbegriff möglich wird. Über relative Häufigkeiten in vielfach wiederholten Simulationsdurchgängen können Wahrscheinlichkeiten bestimmt und so der frequentistische Zugang neben dem theoretischen Zugang gewählt werden [Meyfarth 2008 <ref name=Meyfarth></ref>, S. 16]. Hier kann sich ggf. der Computereinsatz für das häufige Wiederholen von Zufallsexperimenten auszahlen. <br />
    
    
[[Carmen Maxara|Maxara]] und [[Rolf Biehler|Biehler]] differenzieren die erste Klasse noch nach der Art des Werkzeugeinsatzes:<sup>4</sup>
[[Carmen Maxara|Maxara]] und [[Rolf Biehler|Biehler]] differenzieren die erste Klasse noch nach der Art des Werkzeugeinsatzes [Maxara 2008 <ref name=Maxara></ref>, S. 23-28]:
* '''Simulation zur Repräsentation von Zufallsexperimenten''': die Möglichkeit, Erfahrungen mit zufallsabhängigen Situationen zu sammeln und somit Grundlagen für „stochastisches Denken“ zu schaffen; Simulationen als Hilfe zum Aufbau eines konzeptuellen Verständnis stochastischer Ideen (Fokus mehr auf die eigentlichen Inhalte als auf formale Aspekte)   
* '''Simulation zur Repräsentation von Zufallsexperimenten''': die Möglichkeit, Erfahrungen mit zufallsabhängigen Situationen zu sammeln und somit Grundlagen für „stochastisches Denken“ zu schaffen; Simulationen als Hilfe zum Aufbau eines konzeptuellen Verständnis stochastischer Ideen (Fokus mehr auf die eigentlichen Inhalte als auf formale Aspekte)   
* '''Simulation im Wechselspiel mit analytischen Methoden''': Analytisch gewonnene Ergebnisse können durch Simulation überprüft werden, durch Simulation gewonnene Ergebnisse geben Anhaltspunkte für analytische Ansätze; Modellierung als ein verbindendes Element zwischen Simulation und theoretischen Methoden. Trauerstein vertritt die Hypothese, dass bei der Simulation die Modellbildung deutlicher und expliziter gemacht wird als bei einer theoretischen Lösung, da man bei der Simulation sich über Vereinfachungen und Annahmen Gedanken machen muss.
* '''Simulation im Wechselspiel mit analytischen Methoden''': Analytisch gewonnene Ergebnisse können durch Simulation überprüft werden, durch Simulation gewonnene Ergebnisse geben Anhaltspunkte für analytische Ansätze; Modellierung als ein verbindendes Element zwischen Simulation und theoretischen Methoden. [[Heinz Trauerstein|Trauerstein]] vertritt die Hypothese, dass bei der Simulation die Modellbildung deutlicher und expliziter gemacht wird als bei einer theoretischen Lösung, da man bei der Simulation sich über Vereinfachungen und Annahmen Gedanken machen muss.
* '''Simulation als Werkzeug, als Methode sui generi''': Theoretisch anspruchsvolle, d. h. für den jeweiligen Lernstand mathematisch schwierig oder gar nicht zu lösende, Aufgaben können dennoch durch Simulation gelöst werden, da die Lösung mathematisch elementarer als eine analytische Lösung ist <br />
* '''Simulation als Werkzeug, als Methode sui generi''': Theoretisch anspruchsvolle, d. h. für den jeweiligen Lernstand mathematisch schwierig oder gar nicht zu lösende, Aufgaben können dennoch durch Simulation gelöst werden, da die Lösung mathematisch elementarer als eine analytische Lösung ist. <br />


[[Hans Wolpers|Wolpers]] und [[Stefan Götz|Götz]] fassen die Gründe, die  für Simulationen als festen Bestandteil des Stochastikunterrichts sprechen, wie folgt zusammen:<sup>6</sup>
[[Hans Wolpers|Wolpers]] und [[Stefan Götz|Götz]] fassen die Gründe, die  für Simulationen als festen Bestandteil des Stochastikunterrichts sprechen, wie folgt zusammen: <ref>[[Hans Wolpers|Wolpers, Hans]] und [[Stefan Götz|Götz, Stefan]] (2002).  Didaktik der Stochastik, Band 3. Mathematikunterricht  in der  Sekundarstufe II. H.-P. Tietze, M. Klika und H. Wolpers (Hrsg.)  Braunschweig, Vieweg, S.130</ref>
* Die Simulation ist ein wichtiges Verfahren zur Modellbildung in Theorie und Praxis   
* Die Simulation ist ein wichtiges Verfahren zur Modellbildung in Theorie und Praxis.  
* Die Modellkonstruktion durch Simulation vermittelt epistemologische Einsichten in die Rolle von Modellen bei der Mathematisierung von Ausschnitten der Realität, indem mit Hilfe von Simulationen Erfahrungen und Einsichten in den Zusammenhang von stochastischer Theorie und den empirischen Entsprechungen gewonnen werden können. Für die Aufhellung der Wechselbeziehung zwischen Empirie und Theorie sind insbesondere solche Probleme geeignet, deren Lösung analytisch und empirisch experimentell möglich ist.
* Die Modellkonstruktion durch Simulation vermittelt epistemologische Einsichten in die Rolle von Modellen bei der Mathematisierung von Ausschnitten der Realität, indem mit Hilfe von Simulationen Erfahrungen und Einsichten in den Zusammenhang von stochastischer Theorie und den empirischen Entsprechungen gewonnen werden können. Für die Aufhellung der Wechselbeziehung zwischen Empirie und Theorie sind insbesondere solche Probleme geeignet, deren Lösung sowohl analytisch als auch empirisch experimentell möglich ist.
* Simulationen fördern Fähigkeiten im Modellbilden.   
* Simulationen fördern Fähigkeiten im Modellbilden.   
* Simulationen sind wichtig für den Erwerb stochastischen Denkens: Dies gilt z. B. für den Erwerb und die Einschätzung zentraler probabilistischer Begriffe wie Zufall, Wahrscheinlichkeit, Erwartungswert, Signifikanzintervall usw.
* Simulationen sind wichtig für den Erwerb stochastischen Denkens: Dies gilt z. B. für den Erwerb und die Einschätzung zentraler probabilistischer Begriffe wie Zufall, Wahrscheinlichkeit, Erwartungswert, Signifikanzintervall usw.
* Durch Simulationen lassen sich auch Probleme lösen, deren vollständige Lösung im Unterricht nicht möglich oder zu aufwändig wäre.
* Durch Simulationen lassen sich auch Probleme lösen, deren vollständige Lösung im Unterricht sonst nicht möglich oder zu aufwändig wäre.
* Simulationen verlangen planerische, ausführende und beurteilende Tätigkeiten, also Projektarbeit. Eigentätigkeit hat positive Auswirkungen auf das Lernverhalten, weil die aktive Auseinandersetzung mit den Begriffen und Verfahren der Stochastik eine bessere Einbettung von deklarativem und operativem Wissen in die kognitive Struktur ermöglicht. Insbesondere sind positive Auswirkungen auf die Veränderung falscher   primärer Intuitionen und die Entwicklung angemessener Sekundärintuitionen zu erwarten.
* Simulationen verlangen planerische, ausführende und beurteilende Tätigkeiten, also Projektarbeit. Eigentätigkeit hat positive Auswirkungen auf das Lernverhalten, weil die aktive Auseinandersetzung mit den Begriffen und Verfahren der Stochastik eine bessere Einbettung von deklarativem und operativem Wissen in die kognitive Struktur ermöglicht. Insbesondere sind positive Auswirkungen auf die Veränderung falscher primärer Intuitionen und die Entwicklung angemessener Sekundärintuitionen zu erwarten.
* Simulationen fördern die Motivation. Dies gilt besonders, wenn Probleme bearbeitet werden, deren Lösung ungewiss oder überraschend ist   
* Simulationen fördern die Motivation. Dies gilt besonders, wenn Probleme bearbeitet werden, deren Lösung ungewiss oder überraschend ist.
    
 
==Forschungsergebnisse zum Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht==
Es existieren nur wenige empirische Untersuchungen zum Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht. Diese deuten allerdings auf positive Effekte bei der Verwendung von Simulationen hin [Meyfarth 2008 <ref name=Meyfarth></ref>, S.19]. <br />
Wollring untersuchte die Verwendung von  Simulationen zum 3-Türen-Problem in der sechsten Jahrgangstufe (ohne Computereinsatz). Er berichtet von einem deutlichen Abbau von Fehlvorstellungen durch das Modellieren der Spielsituation und von einer großen Akzeptanz der Simulationen bei den Schülern.<ref>Wollring, Bernd: Schülerversuche zur Wahrscheinlichkeit. Simulationen zum Drei-Türen-Problem - erste Evaluation. In: Beiträge zum  Mathematikunterricht 1992. Hildesheim, Franzbecker.</ref>  <br />
In der Literaturübersicht von Mills wird von einem  positiven Effekt beim Einsatz von Simulationen insbesondere bei schwächeren Lernenden gesprochen. <ref>Mills, Jamie D. (2002): Using Computer Simulation Methods to Teach   Statistics: A Review of the Literature. In: Journal of Statistics  Education  (electronic journal) 10(1), S. 9</ref>  <br />
In einer Vergleichsstudie von Lane-Getaz zum Einsatz der Statistiksoftware FATHOM an einer High-School in den USA wird von der Unterstützung bei der unterrichtlichen Vermittlung der Inhalte und einer Vertiefung des Verständnisses für die vermittelten statistischen Konzepte berichtet.<ref>Lane-Getaz, Sharon J. (2002): Simulate and stimulate to understand:  Learning statistics with fathom. Minnesota, Hamline University.</ref>  <br />
 
Es kommen jedoch auch negative Konsequenzen zur Sprache. So erwähnen [[Bernard Hodgson|Hodgson]] und Burk, dass sie in ihren Forschungen herausgefunden haben, dass Simulationen nicht immer Fehlvorstellungen verhindern und sogar zu solchen beitragen können [Meyfarth 2008 <ref name=Meyfarth></ref>, S. 20]. <br />
[[Thorsten Meyfarth|Meyfarth]] hält deshalb fest, dass der Einbettung der Simulation in das Kurskonzept eine entscheidende Rolle für den Erfolg zukommt. Die Gestaltung der Lernumgebung, der Arbeitsaufträge und einer integrierten Einführung der verwendeten Software sowie das Aufgreifen und Sichern der in den Simulationsphasen vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten sind hier von Bedeutung [Meyfarth 2008 <ref name=Meyfarth></ref>, S. 20-21]. <br />
Im Rahmen seiner Dissertation hat Meyfarth ein eigenes Unterrichtskonzept für den Leistungskurs Stochastik in der gymnasialen Oberstufe durchgeführt und ausgewertet. Dabei wurden Computersimulationen und Lernumgebungen mit der Software FATHOM über das gesamte Kurshalbjahr unterstützend eingesetzt. Im Mittelpunkt stand der experimentelle Zugang zur Wahrscheinlichkeit. Zusammengefasst konnte er nach dem Simulationsvorkurs folgende Ergebnisse festhalten [Meyfarth 2008 <ref name=Meyfarth></ref>, S. 250]:
* Fast alle Schüler waren in der Lage, die erworbenen Simulations- und Fathomkompetenzen flexibel zur Lösung stochastischer Problemstellungen einzusetzen.
* Zentrale stochastische Grundbegriffe in Kombination mit den Computersimulationen konnten eingeführt werden.
* Beim Gesetz der großen Zahl und dem Begriff der Unabhängigkeit zeigen sich positive Effekte auf das intuitive Verständnis.
* Schüler wurden über die anwendungsorientierten Aufgaben zu Modellierungstätigkeiten angeregt.
* Deutlich positive Effekte zeigen sich auf die Motivation und das Interesse der Schüler.
* In Verbindung mit der selbstständigen Schülerarbeit am Computer konnte das im Mathematikunterricht häufig vorherrschende Muster des lehrerzentrierten Unterrichts aufgebrochen werden.
==Literatur==
==Literatur==
<sup>1</sup> Horton, Graham (2003): Simulation: Das virtuelle Labor. In: Magdeburger Wissenschaftsjournal 1-2: 45-52., S. 45 <br />
<references />
<sup>2</sup> [[Thorsten Meyfarth|Meyfarth, Thorsten]] (2008): [[Die Konzeption, Durchführung  und Analyse eines simulationsintensiven Einstiegs in das Kurshalbjahr  Stochastik der gymnasialen Oberstufe – Eine explorative  Entwicklungsstudie]]. Dissertation, Universität Kassel <br />
 
<sup>3</sup>  Tietze u.a. (2002). Didaktik der Stochastik, Band 3. Mathematikunterricht
in der Sekundarstufe II. Tietze, Uwe-Peter; Klika, Manfred; Wolper, Hans (Hrsg.) Braunschweig, Vieweg, S. 129. <br />
<sup>4</sup> [[Carmen Maxara|Maxara, Carmen]] (2008): [[Stochastische Simulation von Zufallsexperimenten mit Fathom – eine theoretische Werkzeuganalyse und explorative Fallstudie]]. Dissertation, Universität Kassel <br />
<sup>5</sup> [[Rolf Biehler|Biehler, Rolf]]; [[Carmen Maxara|Maxara, Carmen]](2007): Integration von stochastischer Simulation in den Stochastikunterricht mit Hilfe von Werkzeugsoftware. In: Der Mathematikunterricht 53 (3): 45-62. <br />
<sup>6</sup> [[Hans Wolpers|Wolpers, Hans]] und [[Stefan Götz|Götz, Stefan]] (2002). Didaktik der Stochastik, Band 3. Mathematikunterricht  in der Sekundarstufe II. H.-P. Tietze, M. Klika und H. Wolper (Hrsg.) Braunschweig, Vieweg, S.130





Aktuelle Version vom 14. November 2016, 10:27 Uhr

„Unter Simulation versteht man in der Wissenschaft die Nachbildung eines realen Objektes oder Vorgangs als Modell und die Nutzung dieses Modells an Stelle des Originals.“ [1]

In der Stochastik werden Zufallsexperimente simuliert, wobei die Bestandteile durch geeignete einfache Zufallsgeräte (z. B. Würfel, Münze, Urne, Glücksrad, Galton-Brett) oder über Zufallszahlen abgebildet werden. [2]

Tietze verweist auch für Simulationen im Stochastikunterricht auf den Modellaspekt: „Unter Simulation versteht man in der Stochastik Verfahren, mit Hilfe von geeigneten Zufallsgeneratoren eine stochastische Situation „nachzuspielen“, um so ein Modell für diese Situation zu erhalten, das dann zur weiteren Analyse und zur Prognose eingesetzt werden kann.“ [3]

Maxara hebt die Modellbildung als einen unerlässlichen Bestandteil des Simulierens hervor: „Wenn man die Realsituation durch ein passendes Modell ersetzt, anhand dessen Experimente durchgeführt werden, so spricht man von Simulation.“
„Erst die Modellierung einer stochastischen Situation macht das Durchführen eines Zufallsexperiments zu einer Simulation“ [Maxara 2008 [4], S. 14-15].

Biehler nennt drei Situationen, in denen stochastische Simulationen sinnvoll eingesetzt werden können [Maxara 2008 [4], S. 14]:

  • um Theorien zu überprüfen (Theorieprüfung),
  • um Vermutungen für und Hinweise auf theoretische Ergebnisse zu gewinnen (Heuristische Funktion),
  • um Wahrscheinlichkeiten rein statistisch zu bestimmen (Schätzfunktion).

Die Verwendung von Statistiksoftware wie Exel, SPSS und FATHOM am Computer kann ggf. einen Einsatz von Simulationen erleichtern. Es können auf vielfältige Arten Zufallszahlen erzeugt werden, typische Zufallsgeräte wie Würfel, Münze sowie das Ziehen aus der Urne mit und ohne Zurücklegen lassen sich nachbilden, und Zufallsexperimente können auf einfache und schnelle Weise 1000-fach oder 10000-fach wiederholt werden. Vorteilhaft ist zudem die einfache grafische Darstellung der entstehenden Häufigkeitsverteilungen.[5]

Ziele beim Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht

Biehler differenziert zwei Klassen von didaktischen Anwendungen der stochastischen Simulation: Zum einen kann die Simulation als Werkzeug zur Lösung stochastischer Problemstellungen genutzt werden. Die Simulation dient dabei als Ersatz oder Kontrolle für theoretische Berechnungen. Zum zweiten ermöglicht die Verwendung von Computersimulationen einen experimentellen Umgang mit stochastischen Problemstellungen. Darüber werden Schüler vertraut mit stochastischen Situationen, und man kann das intuitive Verständnis der Schüler fördern. Weiter kann man über den experimentellen Zugang zentrale stochastische Begriffe wie z. B. den Erwartungswert, die Varianz und auch den Verteilungsbegriff vorbereiten [Meyfarth 2008 [2], S. 15-16].

Meyfarth betont zudem, dass durch den Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht ein zweiter Zugang zum Wahrscheinlichkeitsbegriff möglich wird. Über relative Häufigkeiten in vielfach wiederholten Simulationsdurchgängen können Wahrscheinlichkeiten bestimmt und so der frequentistische Zugang neben dem theoretischen Zugang gewählt werden [Meyfarth 2008 [2], S. 16]. Hier kann sich ggf. der Computereinsatz für das häufige Wiederholen von Zufallsexperimenten auszahlen.

Maxara und Biehler differenzieren die erste Klasse noch nach der Art des Werkzeugeinsatzes [Maxara 2008 [4], S. 23-28]:

  • Simulation zur Repräsentation von Zufallsexperimenten: die Möglichkeit, Erfahrungen mit zufallsabhängigen Situationen zu sammeln und somit Grundlagen für „stochastisches Denken“ zu schaffen; Simulationen als Hilfe zum Aufbau eines konzeptuellen Verständnis stochastischer Ideen (Fokus mehr auf die eigentlichen Inhalte als auf formale Aspekte)
  • Simulation im Wechselspiel mit analytischen Methoden: Analytisch gewonnene Ergebnisse können durch Simulation überprüft werden, durch Simulation gewonnene Ergebnisse geben Anhaltspunkte für analytische Ansätze; Modellierung als ein verbindendes Element zwischen Simulation und theoretischen Methoden. Trauerstein vertritt die Hypothese, dass bei der Simulation die Modellbildung deutlicher und expliziter gemacht wird als bei einer theoretischen Lösung, da man bei der Simulation sich über Vereinfachungen und Annahmen Gedanken machen muss.
  • Simulation als Werkzeug, als Methode sui generi: Theoretisch anspruchsvolle, d. h. für den jeweiligen Lernstand mathematisch schwierig oder gar nicht zu lösende, Aufgaben können dennoch durch Simulation gelöst werden, da die Lösung mathematisch elementarer als eine analytische Lösung ist.

Wolpers und Götz fassen die Gründe, die für Simulationen als festen Bestandteil des Stochastikunterrichts sprechen, wie folgt zusammen: [6]

  • Die Simulation ist ein wichtiges Verfahren zur Modellbildung in Theorie und Praxis.
  • Die Modellkonstruktion durch Simulation vermittelt epistemologische Einsichten in die Rolle von Modellen bei der Mathematisierung von Ausschnitten der Realität, indem mit Hilfe von Simulationen Erfahrungen und Einsichten in den Zusammenhang von stochastischer Theorie und den empirischen Entsprechungen gewonnen werden können. Für die Aufhellung der Wechselbeziehung zwischen Empirie und Theorie sind insbesondere solche Probleme geeignet, deren Lösung sowohl analytisch als auch empirisch experimentell möglich ist.
  • Simulationen fördern Fähigkeiten im Modellbilden.
  • Simulationen sind wichtig für den Erwerb stochastischen Denkens: Dies gilt z. B. für den Erwerb und die Einschätzung zentraler probabilistischer Begriffe wie Zufall, Wahrscheinlichkeit, Erwartungswert, Signifikanzintervall usw.
  • Durch Simulationen lassen sich auch Probleme lösen, deren vollständige Lösung im Unterricht sonst nicht möglich oder zu aufwändig wäre.
  • Simulationen verlangen planerische, ausführende und beurteilende Tätigkeiten, also Projektarbeit. Eigentätigkeit hat positive Auswirkungen auf das Lernverhalten, weil die aktive Auseinandersetzung mit den Begriffen und Verfahren der Stochastik eine bessere Einbettung von deklarativem und operativem Wissen in die kognitive Struktur ermöglicht. Insbesondere sind positive Auswirkungen auf die Veränderung falscher primärer Intuitionen und die Entwicklung angemessener Sekundärintuitionen zu erwarten.
  • Simulationen fördern die Motivation. Dies gilt besonders, wenn Probleme bearbeitet werden, deren Lösung ungewiss oder überraschend ist.

Forschungsergebnisse zum Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht

Es existieren nur wenige empirische Untersuchungen zum Einsatz von Simulationen im Stochastikunterricht. Diese deuten allerdings auf positive Effekte bei der Verwendung von Simulationen hin [Meyfarth 2008 [2], S.19].
Wollring untersuchte die Verwendung von Simulationen zum 3-Türen-Problem in der sechsten Jahrgangstufe (ohne Computereinsatz). Er berichtet von einem deutlichen Abbau von Fehlvorstellungen durch das Modellieren der Spielsituation und von einer großen Akzeptanz der Simulationen bei den Schülern.[7]
In der Literaturübersicht von Mills wird von einem positiven Effekt beim Einsatz von Simulationen insbesondere bei schwächeren Lernenden gesprochen. [8]
In einer Vergleichsstudie von Lane-Getaz zum Einsatz der Statistiksoftware FATHOM an einer High-School in den USA wird von der Unterstützung bei der unterrichtlichen Vermittlung der Inhalte und einer Vertiefung des Verständnisses für die vermittelten statistischen Konzepte berichtet.[9]

Es kommen jedoch auch negative Konsequenzen zur Sprache. So erwähnen Hodgson und Burk, dass sie in ihren Forschungen herausgefunden haben, dass Simulationen nicht immer Fehlvorstellungen verhindern und sogar zu solchen beitragen können [Meyfarth 2008 [2], S. 20].
Meyfarth hält deshalb fest, dass der Einbettung der Simulation in das Kurskonzept eine entscheidende Rolle für den Erfolg zukommt. Die Gestaltung der Lernumgebung, der Arbeitsaufträge und einer integrierten Einführung der verwendeten Software sowie das Aufgreifen und Sichern der in den Simulationsphasen vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten sind hier von Bedeutung [Meyfarth 2008 [2], S. 20-21].
Im Rahmen seiner Dissertation hat Meyfarth ein eigenes Unterrichtskonzept für den Leistungskurs Stochastik in der gymnasialen Oberstufe durchgeführt und ausgewertet. Dabei wurden Computersimulationen und Lernumgebungen mit der Software FATHOM über das gesamte Kurshalbjahr unterstützend eingesetzt. Im Mittelpunkt stand der experimentelle Zugang zur Wahrscheinlichkeit. Zusammengefasst konnte er nach dem Simulationsvorkurs folgende Ergebnisse festhalten [Meyfarth 2008 [2], S. 250]:

  • Fast alle Schüler waren in der Lage, die erworbenen Simulations- und Fathomkompetenzen flexibel zur Lösung stochastischer Problemstellungen einzusetzen.
  • Zentrale stochastische Grundbegriffe in Kombination mit den Computersimulationen konnten eingeführt werden.
  • Beim Gesetz der großen Zahl und dem Begriff der Unabhängigkeit zeigen sich positive Effekte auf das intuitive Verständnis.
  • Schüler wurden über die anwendungsorientierten Aufgaben zu Modellierungstätigkeiten angeregt.
  • Deutlich positive Effekte zeigen sich auf die Motivation und das Interesse der Schüler.
  • In Verbindung mit der selbstständigen Schülerarbeit am Computer konnte das im Mathematikunterricht häufig vorherrschende Muster des lehrerzentrierten Unterrichts aufgebrochen werden.

Literatur

  1. Horton, Graham (2003): Simulation: Das virtuelle Labor. In: Magdeburger Wissenschaftsjournal 1-2: 45-52., S. 45
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Meyfarth, Thorsten (2008): Die Konzeption, Durchführung und Analyse eines simulationsintensiven Einstiegs in das Kurshalbjahr Stochastik der gymnasialen Oberstufe – Eine explorative Entwicklungsstudie. Dissertation, Universität Kassel
  3. Tietze u. a. (2002). Didaktik der Stochastik, Band 3. Mathematikunterrichtin der Sekundarstufe II. Tietze, Uwe-Peter; Klika, Manfred; Wolpers, Hans (Hrsg.) Braunschweig, Vieweg, S. 129.
  4. 4,0 4,1 4,2 Maxara, Carmen (2008): Stochastische Simulation von Zufallsexperimenten mit Fathom – eine theoretische Werkzeuganalyse und explorative Fallstudie. Dissertation, Universität Kassel
  5. Biehler, Rolf; Maxara, Carmen (2007): Integration von stochastischer Simulation in den Stochastikunterricht mit Hilfe von Werkzeugsoftware. In: Der Mathematikunterricht 53 (3): 45-62.
  6. Wolpers, Hans und Götz, Stefan (2002). Didaktik der Stochastik, Band 3. Mathematikunterricht in der Sekundarstufe II. H.-P. Tietze, M. Klika und H. Wolpers (Hrsg.) Braunschweig, Vieweg, S.130
  7. Wollring, Bernd: Schülerversuche zur Wahrscheinlichkeit. Simulationen zum Drei-Türen-Problem - erste Evaluation. In: Beiträge zum Mathematikunterricht 1992. Hildesheim, Franzbecker.
  8. Mills, Jamie D. (2002): Using Computer Simulation Methods to Teach Statistics: A Review of the Literature. In: Journal of Statistics Education (electronic journal) 10(1), S. 9
  9. Lane-Getaz, Sharon J. (2002): Simulate and stimulate to understand: Learning statistics with fathom. Minnesota, Hamline University.