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Version vom 15. November 2015, 09:20 Uhr
Der Dezimalbruch mit der besonderen Eigenschaft verursacht häufig Konflikte in den Schülervorstellungen. In den Lehrplänen bzw. Rahmenrichtlinien wird dieses Thema meist nicht explizit erwähnt.
Beweise für
Rechnerische Verfahren [1]
(1) Aus folgt
.
(2) Aus
(a) folgt
(b)
(b)-(a) liefert , also .
Mit (a) folgt dann .
Anschauliche Darstellung [1]
Der Zusammenhang kann auch anschaulich dargestellt werden. Auf einem Zahlenstrahl, der den Zahlenbereich von 0 bis 1 enthält, kann man die Zahl 0,9 eintragen. Daraufhin vergrößern wir den Bereich zwischen 0,9 und 1, nun lässt sich die Zahl 0,99 eintragen. Vergrößert man nun den Bereich zwischen 0,99 bis 1, so lässt sich wiederum die Zahl 0,999 eintragen. Man sieht, dass die Glieder der Folge 0,9; 0,99; 0,999; ... also immer näher an die 1 heranrücken. Verbindet man dies mit der Überlegung, wo liegen könnte , erhalten wir "anschaulich" .
Widerspruchsbeweis [1]
Angenommen, es sei . Dann gibt es ein , das den Abstand von zu 1 beschreibt.
Dann ist , d. h. .
Wäre aber z. B. , dann ergäbe sich durch Addition
+
= , im Widerspruch zur Annahme.
Dies ergibt sich ganz genauso für jedes mit k aus den natürlichen Zahlen, man erhält stets einen Widerspruch zur Annahme. Da ohnehin ausgeschlossen werden kann, muss sein. Es gibt also keinen Abstand zwischen und 1, egal wie klein gewählt wird.
Beweise mit unendlichen geometrischen Reihen [2]
Es ist möglich, als unendliche geometrische Reihe zu schreiben:
.
Aus der Analysis ist bekannt, dass für die Reihen für gilt.
In unserem Fall gilt also mit a = 0,9 und q = 0,1:
.
Schülervorstellungen zu
Ludwig Bauer [1] untersuchte Schülervorstellungen zu . Dabei ergab sich, dass insgesamt etwa 70 % die Meinung vertreten, lediglich 30 % entschieden sich für . Außerdem ist interessant, dass die stärkste Zustimmung in der Klassenstufe 12 mit 91 % fand. Anscheinend führte die Infinitesimalrechnung, welche die intensive Beschäftigung mit Grenzwerten einschließt, sogar zu einer Verstärkung der Ablehnung von .
Schülerargumente für [1]
"Es fehlt immer noch ein Stückchen."
" ist ganz minimal kleiner als 1."
"Periode geht unendlich fort, wird die 1 aber nie berühren".
" ergibt nur gerundet 1."
Hier kristallisieren sich verschiedene Argumentationsstrategien heraus: Viele nehmen und 1 als deutlich unterscheidbare Objekte wahr, andere sehen als Folge, deren Glieder sich der 1 annähern, sie aber nie erreichen. Auch wird ein Bezug zu Rundungsvorgängen hergestellt.
Schülerargumente gegen [1]
"Das haben wir gelernt."
"Weil es so ist."
""
"Da die ins Unendliche geht und sich der 1 annähert, kann man sagen, dass ist."
Insgesamt wirken die Argumentationen hier unsicherer. Sätze ähnlich den ersten beiden treten häufiger auf. Dennoch argumentieren einige auch mit den oben erklärten Zugängen, und im weitesten Sinne wird auch eine Annäherung an die Grenzwerte gewagt.
Zusammenfassung
Durch die Studie lässt sich deutlich erkennen, dass die Schüler verschiedene mathematische Aspekte verwenden, um ihre Entscheidung zu begründen. Weiterhin scheint ihnen der mathematische Charakter der weitestgehend vage und diffus zu sein. Es dominieren anschaulich-intuitive Vorstellungen und Argumente. Die Schüler konstruieren aber ihre Begründungen meist selbst, es werden selten Begründungen der Lehrerinnen und Lehrer übernommen. Außerdem ist die Vorstellung vorherrschend, dass die Zahl den Prozess der Annäherung an die 1 beschreibt, während in der Mathematik das Ergebnis des Prozesses, nämlich , gemeint ist. Eine Weiterentwicklung der Schülervorstellungen auf diesem Gebiet würde auch einen Fortschritt im Verständnis des Zahlbegriffs bedeuten.
Konsequenzen für die Behandlung der Zahl
Mit Blick auf die oben skizzierten Schülervorstellungen lässt sich feststellen, dass Brüche zwischen innermathematischer Klärung und ursprünglichem Verstehen unvermeidlich für einen sinnstiftenden Umgang mit Mathematik sind.[2] Eine Grundlage für die systematische Behandlung der bilden die Spiralcurricula der Bundesländer. Beginnend mit der Bruchrechnung in Klasse 6 kann mittels der Darstellung der erste Beweis geführt werden. Dieses Ergebnis erscheint allerdings eher oberflächlich und wenig nachhaltig. Deshalb ist das erneute Aufgreifen der Zahl in höheren Klassenstufe unabdingbar. [1] Eine erste Wiederholung des Zusammenhanges wäre durch Verwendung von Gleichungen zu realisieren. Zur abschließenden Wiederholung wäre dann noch einmal der Beweis mit Hilfe von Reihen innerhalb der Sekundarstufe II möglich.
Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie von Ludwig Bauer muss auf die Behandlung der Zahl in der Oberstufe geachtet werden, die Behandlung des Grenzwertbegriffes und die Einführung der Infinitesimalrechnung sollte die Wiederholung unterstützen. Weiterhin weist Bauer darauf hin, dass "... im Sinne eines genetisch-konstruktivistischen Lernverständnisses [...] auch dieser indirekte Beweis alleine nicht ausreichend [ist]. Eine einzelne unterrichtliche Aktion, sei es ein Rechenverfahren oder ein Beweis, hat wohl eher nur die Wirkung einer 'Überredung' der Schülerinnen und Schüler. Eine echte 'Überzeugung', dass und dass der Grenzwert der Folge 0,9, 0,99 usw. ist, entwickeln die Schülerinnen und Schüler wohl nur dann, wenn sie alle bisher gesammelten Erfahrungen aufeinander beziehen und reflektieren." [1]
Zitatquellen und verwendete Literatur
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Bauer, Ludwig: Mathematikunterricht, Intuition, Formalisierung: eine Untersuchung von Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu . In: Journal für Mathematikunterricht, Heft 1, 2011, 79-102
- ↑ 2,0 2,1 Danckwerts, Rainer; Vogel, Danckwart: Analysis verständlich unterrichten. Spektrum Akademischer Verlag, 1. Auflage, Berlin Heidelberg 2006
Der Beitrag kann wie folgt zitiert werden: Madipedia (2015): Vorstellungen von 0,99999.... Version vom 15.11.2015. In: dev_madipedia. URL: http://dev.madipedia.de/index.php?title=Vorstellungen_von_0,99999...&oldid=22794. |